Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitverschulden, Überholen bei unklarer Verkehrslage
Leitsatz (amtlich)
Allein die Tatsache, dass ein vorausfahrendes Fahrzeug verlangsamt und nach rechts eingeordnet wird, schafft noch keine unklare Verkehrslage dahingehend, dass dessen Fahrer beabsichtigt, verbotenerweise nach links abzubiegen oder gar zu wenden.
Normenkette
BGB § 254; StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 20.10.2004; Aktenzeichen 3 O 89/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten - das am 20.10.2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Lüneburg in Form des am 8.12.2004 verkündeten Ergänzungsurteils teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.264,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2003 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert auch für das Berufungsverfahren: 8.949,02 EUR.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540, 313a Abs. 1 ZPO):
Die Berufung der Klägerin erweist sich als begründet, diejenige der Beklagten hingegen als unbegründet. Demgemäß stehen der Klägerin wegen des Verkehrsunfalles vom 16.11.2003 die geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu (welche sie im Berufungsverfahren mit Ausnahme eines geringen Teilbetrages wegen der Verzinsung für weitere 20 Tage weiterverfolgt).
Zu dem Verkehrsunfall kam es, weil der Fahrer des Fahrzeugs der Klägerin den Beklagten zu 1) überholen wollte, der sein Fahrzeug verlangsamt und nach rechts gelenkt hatte, allerdings um (verbotenerweise unter Überfahren einer schraffierten Sperrfläche in der Straßenmitte) zu wenden. Entgegen der Berufung der Beklagten ist dabei auch von der nachvollziehbaren Feststellung des LG auszugehen, wonach es nicht als bewiesen anzusehen ist, dass der Beklagte zu 1) vor seinem verbotenen Wendemanöver wenigstens geblinkt hat. Angesichts dieses Geschehens ist, wie die Klägerin mit ihrer Berufung zu Recht geltend macht, der bei der Beklagten zu 2) pflichtversicherte Beklagte zu 1) für die Schäden des Verkehrsunfalles alleine verantwortlich und nicht, wie die Einzelrichterin meint, die Klägerin zu einer Quote von 1/3 mitverpflichtet (geschweige denn, wie die Beklagten mit ihrer eigenen Berufung geltend machen wollen, alleine haftbar).
1. Zu Recht geht das LG zunächst davon aus, dass die Beklagten nicht haben beweisen können, dass der Beklagte zu 1) seinen linken Blinker vor dem Wendemanöver gesetzt hat. Insoweit widersprechen sich die Aussagen der Zeugin R. (der Ehefrau des Beklagten) und des Zeugen L., des Fahrers des Pkw der Klägerin. Dass die Einzelrichterin der Bekundung der Ehefrau des Klägers dabei nicht den Vorzug gegeben hat, begegnet keinen Bedenken, denn die Berufung der Beklagten vermag keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung zu diesem Punkt zu wecken, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Warum die Zeugin (als Ehefrau und Beifahrerin einer der Prozessparteien) glaubwürdiger sein soll als der Fahrer der Klägerin, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil fällt an der Aussage der Zeugin (ebenso wie an der Argumentation der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung zu diesem Punkt) auf, dass die Schilderung der Zeugin, ihr Mann sei ein "pedantischer Fahrer", gerade nicht für die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundung spricht. Wer, wie der Beklagte zu 1), an verbotener Stelle unter Überfahren einer schraffierten Sperrfläche wenden will, hält sich offenbar gerade nicht pedantisch an jede Straßenverkehrsvorschrift.
2. Angesichts dieses vom LG festgestellten Sachverhalts lässt sich ein gravierendes Verschulden des Beklagten zu 1) hinsichtlich des Zustandekommens des Verkehrsunfalles feststellen, der gleich drei verschiedene Verkehrsverstöße begangen hat: Zum einen hat er an einer Stelle wenden wollen, an der dies, wie sich ihm aufdrängen musste, schon deswegen verboten war, weil er dafür unzulässigerweise eine schraffierte Sperrfläche überfahren musste. Hierüber wollte er sich offensichtlich vorsätzlich hinwegsetzen. Zum anderen hat er zumindest seiner zweiten Rückschaupflicht unmittelbar vor dem Beginn des Wendemanövers ersichtlich nicht Genüge getan, ansonsten hätte er das Fahrzeug der Klägerin nicht übersehen können (immerhin ein Pick-up-Geländewagen mit stattlichen Außenmaßen), zumal er dieses Fahrzeug seiner eigenen Schilderung in der Klageerwiderung nach zuvor bereits im Rückspiegel beobachtet hatte (vgl. Bl. 32 d.A.). Zum Dritten hat der Beklagte seiner besonderen Sorgfaltspflicht beim Wenden (wäre dieses überhaupt zulässig gewesen), wie sie sich aus § 9 Abs. 5 StVO ergibt, ebenfalls nicht Genüge getan. Danach hätte er ausschließen müssen, mit seinem Wendemanöver andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Insoweit galt entgegen der Annahme der Einzelrichterin nicht (nur) d...