Leitsatz (amtlich)
Ein enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen einem Kraftfahrzeugbrand und dem Betriebsvorgang eines Fahrzeugs liegt jedenfalls vor, wenn dieses noch ca. zwei Stunden vor dem Brand gefahren wurde.
Für eine Zurechnung ist nicht erforderlich, dass der klagende Halter gegenüber der beklagten Versicherung beweist, durch welche Betriebseinrichtung der Brand verursacht worden ist. Es reicht aus, dass unstreitig oder bewiesen ist, dass der Brand in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs entstanden ist.
Die beklagte Versicherung könnte aber ihrerseits darlegen und beweisen, dass der Brand von außen herbeigeführt worden ist, was den Zurechnungszusammenhang entfallen ließe.
Normenkette
StVG § 7
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 16.11.2020; Aktenzeichen 13 O 12/20) |
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.489,50 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die vorgerichtlichen Kosten ihrer Rechtsverfolgung in Höhe von 413,90 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.1.2020 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 13 % und die Beklagte zu 87 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
7. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.291,50 EUR festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)
I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache größtenteils Erfolg.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte gem. § 7 Abs. 1 StVG auf Zahlung von 5.489,50 EUR.
Gem. § 7 Abs. 1 StVG muss der Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1988 - VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65, 66 f.; vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87, VersR 1988, 641; vom 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88, VersR 1989, 923, 924 f.; vom 3. Juli 1990 - VI ZR 33/90, VersR 1991, 111, 112; vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06, VersR 2008, 656 Rn. 7; vom 31. Januar 2012 - VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 17 und vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 15). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (BGH, Urteil vom 21. Januar 2014 - VI ZR 253/13 -, Rn. 5 m.w.N., juris). Dies ist der Fall, solange die einmal geschaffene Gefahrenlage fort- und nachwirkt (BGH, Urteil vom 26. März 2019 - VI ZR 236/18 -, Rn. 9, juris).
Nach diesen Grundsätzen ist der geltend gemachte Brandschaden dem Grunde nach der von dem Beklagtenfahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr gem. § 7 Abs. 1 StVG zuzurechnen. Nach den Feststellungen des Landgerichts geriet das Fahrzeug ca. zwei Stunden nach dem Abstellen unter dem Vordach der Klägerin in Brand.
Dass sich dieser Schaden erst nach einer zweistündigen Verzögerung durch den Brand realisiert hat, ändert nichts daran, dass die einmal geschaffene Gefahrenlage durch den Betrieb des Fahrzeuges nachgewirkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2019 - VI ZR 236/18 -, Rn. 9, juris, bei dem sich die Gefahrenlage erst nach eineinhalb Tagen realisierte). Auch steht eine Entfernung des Fahrzeugs aus dem öffentlichen Verkehrsraum einer Haftung aus der Betriebsgefahr nicht entgegen (BGH, Urteil vom 21. Januar 2014 - VI ZR 253/13 -, juris, zum Brand eines Fahrzeuges in einer privaten Tiefgarage; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2020 - VI ZR 158/19 -, Rn. 5, juris, zum Brand eines Fahrzeuges in einer geschlossenen Werkstatthalle).
Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, die Klägerin habe nicht beweisen können, dass der Brand durch eine Betriebseinrichtung des Fahrzeuges verursacht worden sei, ist dies für eine Zurechnung nicht erforderlich. Die Klägerin muss nicht beweisen, welche Betriebseinrichtung oder auf welche Weise eine Betriebseinrichtung des Fahrzeugs zum Brand geführt hat. Es reicht aus, dass der Brand in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Fahrzeuges entstanden ist (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2020 - VI ZR 158/19 -, Rn. 14; BGH, Urteil vom 21. Januar 2014 - VI ZR 253/13 -, BGHZ 199, 377-381, Rn. 5; BGH, Urteil vom 21. Januar 2014 - VI ZR 253/13 -, Rn. 5, alle juris m.w.N.). Diese Voraussetzung liegt vor. Vorliegend wurde das Fahrzeug der Beklagten noch zwei Stunden vor dem Brand gef...