Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht von Radwanderweg
Leitsatz (amtlich)
Die Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde für einen von ihr ausgewiesenen und beworbenen "Rundweg für Wanderer und Radfahrer" durch Feld und Flur ist in Bezug auf eingetretenen Astbruch eines an den Weg angrenzenden Baumes im Vergleich zur Kontrollpflicht von Straßenbäumen eingeschränkt und kann im Einzelfall durch einmal jährliche Kontrolle zur Winterzeit hinreichend erfüllt werden.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 19.01.2012; Aktenzeichen 3 O 185/11) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.1.2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Hannover wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Dieses Urteil und das am 19.1.2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Hannover sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt bis zu 4.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schmerzensgeld und Ersatz von Heil- und Behandlungskosten wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.
Die Klägerin befuhr am 8.10.2010 mit ihrem Fahrrad einen Weg in der Feldmark X., welcher von der Beklagten unterhalten wird und sich auf ihrem Gemeindegebiet befindet, als ein ca. 15 cm starker und 8 m langer belaubter Ast von einem am Wegrand stehenden Baum abbrach, auf das Fahrrad der Klägerin stürzte und diese sich verletzte.
Die Klägerin erlitt ein Oberschenkelkompartment rechts und wurde noch am 8.10.2010 operativ behandelt. Sie verblieb bis 16.10.2010 stationär im Krankenhaus. Eine weitere Physiotherapie schloss sich an, um die Beweglichkeit von Knie und Hüfte wiederherzustellen. Aufgrund der erlittenen Schmerzen macht die Klägerin ein Schmerzensgeld von mindestens 3.000 EUR geltend und verlangt Ersatz der ihr infolge der Behandlung entstandenen Kosten i.H.v. insgesamt 406,59 EUR (Anlagen K 8 bis 15, Bl. 23 bis 32 d.A.). Für die vorgerichtliche Beauftragung ihres Anwaltes entstanden Kosten i.H.v. 359,50 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, der von ihr befahrene Weg sei als Radweg gewidmet und gehöre zu einem Naherholungsgebiet, welches im Jahr 2000 anlässlich der Weltausstellung von der Beklagten erschlossen und angelegt worden sei. Die Beklagte sei ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen und habe die am Wegrand befindliche Baumgruppe verwildern lassen und nur im unteren Bereich gepflegt, während Totäste aus dem oberen Bereich der Baumkronen nicht entfernt worden seien. Bei dem Ast, welcher sie verletzt habe, habe es sich um einen Totast gehandelt, welcher hätte entfernt werden müssen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 406,59 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 26.11.2010 zu bezahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Schadensfall vom 28.10.2010 ein ausdrücklich in das Ermessen des Gerichtes gestelltes, angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen,
3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 359,50 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Weg diene in erster Linie der Erschließung des angrenzenden Waldes und der umliegenden Felder. Er sei nicht für Fußgänger- und Fahrradverkehr gewidmet. Diese Nutzung werde lediglich geduldet, da es sich um einen "tatsächlich öffentlichen Weg" i.S.d. § 25 Abs. 1 Niedersächsisches Waldgesetz (NWaldLG) handele. Totholz müsse im Wald verbleiben, um den dort lebenden Tieren einen ausreichend geschützten Raum zu geben. Außerdem gehöre der Weg auch zu einem Wildschutzgebiet, weshalb mit Totholz zu rechnen gewesen sei. Wer einen solchen Weg betrete, handele auf eigene Gefahr; für natur- und waldtypische Gefahren werde nicht gehaftet. Im Übrigen handele es sich bei dem Ast, welcher die Klägerin verletzt habe, nicht um Totholz, sondern um einen belaubten Ast. Dieser sei aufgrund eines Sturmschadens von dem Baum abgebrochen und herabgestürzt. Auch wenn unklar sei, ob an dem Unfalltag Sturm geherrscht habe oder der Ast bereits kurz vorher abgebrochen gewesen sei, sei er noch von anderen Ästen gehalten worden. Selbst wenn die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hätte, sei dies nicht schadensursächlich geworden.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf welches wegen der weiteren Darstellung zum Sach- und Streitstand Bezug genommen wird (Bl. 165 ff. d.A.), hat das LG die Klage abgewiesen, weil das Unfallereignis nicht ursächlich auf die Verletzung einer der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht zurückzuführen sei. Dabei könne sich die Beklagte nicht auf die Regelungen des NWaldLG berufen, weil bereits fraglich sei, inwieweit es sich um einen Waldbereich und nicht nur um eine einzelne Baumreihe handele. Letztlich blieben "normale" Verkehrssicherungspflichten weiter bestehen, wob...