Leitsatz (amtlich)

1. Das Angebot einer kostenlosen Zweitbrille als Einstärken- oder Sonnenbrille bei dem Kauf einer Brille mit einem Mindestauftragswert fällt unter das Zuwendungsverbot gem. § 7 Abs. 1 HWG, wenn die Kostenlosigkeit der Zweitbrille blickfangmäßig durch die Aussage "ZWEI FÜR EINS: Beim Kauf einer Brille gibt's eine ARMANI-Brille - GESCHENKT" beworben wird.

2. Warenrabatte i.S.d. Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b HWG setzen gleiche Ware voraus; das erfordert Gattungs- und Qualitätsidentität.

3. Das Verbot des § 7 Abs. 1 HWG setzt voraus, dass die Werbung geeignet ist, den Kunden durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich zu beeinflussen. Einer unmittelbaren oder mittelbaren Gesundheitsgefährdung bedarf es dabei nicht.

 

Normenkette

HeilMWerbG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b; UWG §§ 3, 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 16.05.2013)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.5.2013 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Lüneburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils und des angefochtenen Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 25.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, macht wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte, einem Augenoptikerunternehmen, geltend wegen einer Werbung mit dem Inhalt:

"ZWEI FÜR EINS:

Beim Kauf einer Brille gibt's

eine ARMANI-BRILLE

in Sehstärke GESCHENKT. *

*Angebot gültig bis 31.12.2012. Beim Kauf einer Brille oder Brillengläsern in Sehstärke mit Mindestauftragswert Einstärkenbrille 199 EUR, Mehrstärkenbrille 299 EUR (bei Zahlung der gesetzlichen Krankenkasse inkl. Krankenkassenzuzahlung und nach Abzug aller Kulanzen und Rabatte) erhalten Sie eine Einstärken-Armani-Brille oder Sonnenbrille in Sehstärke mit Brillengläsern aus einem ausgewählten Glassortiment geschenkt."

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das LG hat der auf Unterlassung gerichteten Klage stattgegeben und die Beklagte ferner zur Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten von 219,35 EUR verurteilt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehe. Die streitgegenständliche Werbung verstoße gegen § 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 HWG, der eine Marktverhaltensvorschrift i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG darstelle. Da die Beklagte mit ihrer Werbung nicht isoliert ein Markengestell angeboten, sondern eindeutig die komplette Sehhilfe beworben habe, habe die Werbung ein Medizinprodukt i.S.d. § 3 Nr. 1 MPG betroffen.

Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs. 1, Halbs. 2 Nr. 2 Buchst. b HWG seien nicht erfüllt, so dass sich die Werbung nicht aus diesem Grunde als zulässig erweise. Von einem Mengenrabatt könne nicht gesprochen werden, wenn die Zuwendung bereits beim Kauf eines einzigen Produkts gewährt würde. Sinn und Zweck des § 7 HWG sei in erster Linie, die Verbraucher vor unüberlegten Entscheidungen in Bezug auf ausgelobte Zuwendungen im Heilmittelbereich zu schützen. Entgegen der Ansicht der Beklagten diene die Vorschrift nicht lediglich dem Verbot von Werbungen, von denen eine Gefahr der "Überdosierung" etwa von Medikamenten ausgehe. Demzufolge könne der Kläger von der Beklagten auch die Zahlung der Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe verlangen.

Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Die Beklagte rügt, das LG habe die Bedeutung eines Mengenrabattes verkannt. Der Begriff des Mengenrabattes setze nicht voraus, dass ein Verkäufer mehr als zwei Produkte in einem Verkaufsgeschäft verkaufe. Der dem Käufer eingeräumte Preisnachlass (Mengenrabatt) beruhe auf den Kostenvorteilen für den Verkäufer durch den gleichzeitigen Verkauf mehrerer Produkte. Eine solche Kostenersparnis erlange ein Optiker bereits dann, wenn ein Kunde zwei Korrekturbrillen auf einmal abnehme, weil der vor der Bestellung einer Brille oft langwierige Prozess der Augenvermessung, der Sehschwächenbestimmung und der Beratung zu Vor- und Nachteilen bestimmter Brillengläser nur einmal entstehe.

Bei § 7 Abs. 1 HWG handele es sich nicht mehr um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Eine Werbung sei nur dann unzulässig, wenn sie im konkreten Fall geeignet sei, die Kunden unsachlich zu beeinflussen und zumindest eine mittelbare Gesundheitsbeeinträchtigung zu bewirken. Bei der streitgegenständlichen Brillenwerbung sei eine Eignung, eine Gesundheitsbeeinträchtigung zu bewirken, nic...

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