Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Beurteilung von "Wohnfläche" nach früherer DIN 283 oder Bestimmungen der II. Berechnungsverordnung (BV)
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 28. Februar 1996 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 44.082,06 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 24. Oktober 1995 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 32,71 %, die Beklagte 67,29 %.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Wert der Beschwer: Kläger 21.429,53 DM;
Beklagte 44.082,07 DM.
Gründe
Die Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg; dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Minderungsrecht und ein Schadensersatzanspruch in der zugesprochenen Höhe nach §§ 633 Abs. 1, 634 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 635 BGB zu.
1. Auf das Vertragsverhältnis der Parteien sind die Regelungen des Werkvertrages anzuwenden, auch wenn der Vertrag als „Kaufvertrag” bezeichnet wurde und unabhängig davon, inwieweit die Wohnung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits in Teilen fertiggestellt war. Entscheidend ist insoweit, daß – wie hier – eine Verpflichtung der Beklagten zur Errichtung/Fertigstellung der Eigentumswohnung bestand (st. Rspr. des BGH, vgl. nur BGHZ 68, 372; 74, 204; 87, 112).
2. Das Bestehen von Gewährleistungsrechten des Klägers setzt voraus, daß der streitigen Wohnung eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder sie mit einem Fehler behaftet ist. Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die in den Bauzeichnungen vom 29. Juni 1992 i. V. m. der Wohnflächenberechnung des Architekten der Beklagten vom 18. August 1992 enthaltene Angabe einer Wohnfläche von 84,63 qm die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Zusicherung erfüllt sind. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 11. Juli 1997, V ZR 246/96) liegt, wenn die Wohnfläche einer Dachgeschoßwohnung mehr als 10 % kleiner ist als nach dem Werkvertrag geschuldet, ein Fehler/Mangel vor, der Gewährleistungsansprüche des Erwerbers auslöst, auch wenn die Größe nicht zugesichert worden ist.
a) Eine Wohnfläche im vorbenannten Umfang ist Vertragsinhalt geworden. Hierbei spielt es entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Rolle, daß eine ausdrückliche Wohnflächenangabe im notariellen Vertrag und dessen Anlagen nicht enthalten ist, vielmehr sich die Flächenangabe aus Unterlagen ergibt, die der Kläger vor Vertragsschluß erhalten hat. Es reicht aus, wenn ein Erwerber aufgrund entsprechender Unterlagen davon ausgeht, eine Wohnfläche bestimmter Größe zu erwerben, soweit nicht im notariellen Vertrag und seinen Anlagen ausdrücklich eine andere Größe genannt wird (vgl. BGH, a. a. O). Die einseitige Vorstellung einer Vertragspartei ist für die Bestimmung des Vertragsinhaltes jedenfalls dann von Bedeutung, wenn der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden erkennt und in Kenntnis dieses Willens den Vertrag abschließt, wobei es nicht erforderlich ist, daß sich der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden zu eigen macht (vgl. BGH, a. a. O., m. w. N.).
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die Beklagte durch ihren Geschäftsführer dem Kläger im September 1992 vor Abschluß des notariellen Vertrages zwecks Beschreibung der zu errichtenden Dachgeschoßwohnung die Bauzeichnungen vom 29. Juni 1992 (Bl. 55/61) und die Wohnflächenberechnung ihres Architekten vom 18. August 1992 (Bl. 76) übergeben hat. Die diesbezügliche Behauptung des Klägers hat der Zeuge R im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Senat am 17. Dezember 1997 bestätigt. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen hat der Senat nicht. Hierbei hat der Senat neben dem persönlichen Eindruck von dem Zeugen, der in anschaulicher und nachvollziehbarer Weise den Geschehensablauf geschildert hat, auch berücksichtigt, daß die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung die entsprechende Darstellung des Klägers in Abrede gestellt hat.
Bereits im vorprozessualen Schriftwechsel hat der Kläger den Erhalt der entsprechenden Unterlagen vorgetragen (Bl. 62 ff./70 ff.), ohne daß dem die Beklagte entgegengetreten wäre (Bl. 69/72). Auch im Prozeß hat die Beklagte die Aushändigung der Unterlagen zunächst nicht bestritten (Bl. 127/128; 157/156), sondern sich vielmehr damit verteidigt, eine bestimmte Wohnfläche sei nicht zugesichert worden, vielmehr habe es sich lediglich um einen „Ausbauvorschlag” bzw. eine „unverbindliche Planung” gehandelt, worauf der Kläger hingewiesen worden sei. Im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wurde die Vorlage der Unterlagen vor Vertragsschluß deshalb folgerichtig als unstreitig behandelt. Erst in der Berufungsinstanz hat die Beklagte dann vorgetragen, es sei aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar, wie der Kläger überhaupt in den Besitz der Unterlagen gekommen sei.
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