Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Haftung der Daimler AG bei Rückruf eines Pkws durch das KBA

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein der Rückruf eines Pkws durch das KBA begründet für sich noch keine deliktische Haftung des Motorenherstellers.

2. Zur Frage der Haftung des Herstellers beim Vorliegen eines geregelten Kühlmittelthermostats.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 826

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 12.11.2019; Aktenzeichen 6 O 33/19)

 

Nachgehend

OLG Celle (Beschluss vom 08.07.2021; Aktenzeichen 7 U 1955/19)

OLG Celle (Beschluss vom 28.05.2021; Aktenzeichen 7 U 1955/19)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 12. November 2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das angefochtene landgerichtliche Urteil sowie das vorliegende Berufungsur-teil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstands für die Berufungsinstanz wird auf für die Zeit bis zum 4. März 2021 auf bis zu 35.000 EUR, für die Zeit danach auf bis zu 9.000, - EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Fahrzeugherstellerin und Verkäuferin auf Rückabwicklung des Kaufvertrags über einen gebrauchten PKW Mercedes-Benz GLK 220 in Anspruch. Die betreffende Rechnung der "Daimler AG - Niederlassung Hannover" datiert vom 22. März 2013 (Bl. 42 d.A.); sie weist einen Kaufpreis von 40.300 EUR sowie einen damaligen Kilometerstand von 23.750 km aus.

Das Fahrzeug wurde der Klägerin noch am 22. März 2013 übergeben. Es verfügt über einen Motor des Typs OM651; diese Modellreihe ist teilweise von Rückrufaktionen des Kraftfahrt-Bundesamts (im Folgenden: KBA) betroffen.

Die Klägerin behauptet, die Motorsteuerungssoftware des Mercedes-Benz GLK 220 enthalte eine unzulässige Abschalteinrichtung, die den Ausstoß von Stickoxid (NOx) nur unter den Bedingungen des Prüfstandbetriebs optimiere. Sie sei mit einem gesetzeswidrigen Thermofenster versehen. Die Klägerin stützt sich dabei auf einen verpflichtenden Rückruf, der auf der Internetseite der Beklagten ausgewiesen sei. Dem KBA gegenüber sei die unzulässige Abschalteinrichtung nicht offengelegt worden, weshalb der Beklagten eine vorsätzliche Täuschung anzulasten sei. Es spreche eine Vermutung dafür, dass die Vorstandsmitglieder der Beklagten informiert gewesen seien.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Zudem hat sie bestritten und bestreitet weiterhin, dass die Motorsteuerungssoftware nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Das klägerische Fahrzeug sei weder manipuliert, noch sei in dem Wagen eine unzulässige Abschaltvorrichtung verbaut. Die Abgasrückführung sei bei bis zu zweistelligen Minusgraden aktiv; bei 9 Grad Celsius belaufe sich die maximale Reduktion der AGR auf 18 %. Bei dem Thermofenster handele es sich um einen "Industriestandard"; die Beklagte habe insoweit eine jedenfalls vertretbare Auslegung vorgenommen.

Nachdem die Beklagte zunächst behauptet hatte, das Fahrzeug sei nicht von einem Rückruf erfasst, hat sie dies - auf entsprechenden Vorhalt des Landgerichts nach Abfrage der Fahrzeugidentifikationsnummer auf der Internetseite der Beklagten - noch in erster Instanz korrigiert und eine Betroffenheit des Mercedes-Benz GLK 220 von einem Rückruf des KBA unstreitig gestellt. Hieraus folge ihrer Ansicht nach aber - unabhängig davon, dass der Bescheid nicht bestandskräftig sei - noch keine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Täuschung.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. November 2019 (Bl. 173 ff. d.A.), auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz Bezug genommen wird, abgewiesen. Zwar liege bzgl. des streitgegenständlichen Fahrzeugs womöglich ein Rückruf wegen einer nach Auffassung des KBA unzulässigen Kalibrierung des Kühlmittelthermostats vor. Selbst wenn eine solche unzulässige Abschalteinrichtung vorläge, begründete dies aber keinen Mangel des Fahrzeugs. Das vom Kläger behauptete Thermofenster beinhalte nämlich keinen Prüfstandmodus wie beim Motor A189 der Volkswagen AG, sondern funktioniere im NEFZ grundsätzlich ebenso wie im Realbetrieb. Zudem seien kaufrechtliche Ansprüche mangels arglistigen Verhaltens der Beklagten verjährt. Da es schon an einem Mangel fehle, schieden auch deliktsrechtliche Ansprüche aus, zumal deren subjektive Voraussetzungen ebenfalls nicht gegeben seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr Prozessziel in vollem Umfang weiterverfolgt. Das Landgericht habe außer Acht gelassen, dass das Thermofenster exakt auf die Prüfbedingungen des NEFZ zugeschnitten sei; ferner hätte es - so die Klägerin weiter - der Beklagten oblegen, die Zulässigkeit des Thermofensters darzulegen, was ihr nicht gelungen sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des am 12. November 2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Hildesheim, Aktenzeichen 6 O 33/19,

1. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs der Ma...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge