Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 20 O 254/21)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 22. März 2022 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf bis 22.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten unter anderem Schadensersatz im Zusammenhang mit der Betroffenheit seines Fahrzeuges vom sog. "Dieselskandal".

Am 8. Mai 2018 gab die Beklagte eine Pressemitteilung über Auffälligkeiten in der Motorsteuerung von bestimmten Fahrzeugen des Typs A6 bzw. A7 mit V6-TDI-Motoren heraus (Anlage B12 = Anlagenband Beklagte); es folgte eine weitere Presseberichterstattung durch das KBA und in den öffentlichen Medien (Anlagen B13-B21 = ebd.). Ferner stellte die Beklagte in der Folge eine Webseite zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit bereit (Anlagen B22 und B23 = ebd.).

Am 15. Mai 2018 informierte die Beklagte ihre Vertragshändler über das Audi Partner Portal (APP) erstmals durch ein Informationsschreiben über die Anordnung eines Verkaufsstopps für Modelle mit V6 3.0l TDI Motor vom Typ Audi A6 und A7 und die Entwicklung eines Software-Updates (Anlage B7 = ebd.). Am 29. Juni 2018 hob die Beklagte den Verkaufsstopp für Gebrauchtfahrzeuge des betroffenen Typs auf und forderte die Händler auf, die Fahrzeuge vor Aufspielen des Software-Updates nur nach entsprechendem Hinweis an Kaufinteressenten über die Beanstandungen und die erforderliche Software-Aktualisierung zu veräußern (Anlage B8 = ebd.). Am 3. Juli 2018 wurde den Händlern und Servicepartnern über das APP ein entsprechendes Musterschreiben ("Beipackzettel") zur Verfügung gestellt, das den Kaufinteressenten vor einem Kauf auszuhändigen war (Anlagen B9 und B10 = ebd.). Am 12. November und 20. Dezember 2018 wurden die Vertragshändler über die jeweils teilweise Aufhebung des Verkaufsstopps für Neufahrzeuge und das zwingende Aufspielen des Software-Updates vor einer Veräußerung informiert (Anlage B11 = ebd.). Die Halter der Fahrzeuge wurden durch Schreiben aus Dezember 2018 über das Erfordernis eines Software-Updates informiert.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) hat mit Bescheid vom 4. Juni 2018 Nebenbestimmungen zu diesem Fahrzeugtyp wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung hinsichtlich des Emissionsverhaltens angeordnet. Es hat hierzu - in einer Auskunft gegenüber dem Senat vom 13. Oktober 2022 (Bl. 249 f. Bd. II d.A.) - ausgeführt:

((Abbildung))

Mit einer Pressemitteilung vom 6. Juni 2018 informierte das KBA über den Rückruf unter anderem des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps (Anlage B13 = ebd.). In der Folgezeit entwickelte die Beklagte ein Software-Update, dass vom KBA mit Bestätigung vom 12. November 2018 freigegeben und am 8. Januar 2019 auf das klägerische Fahrzeug aufgespielt wurde. Mit diesem Software-Update wurde (unstreitig) die o.g. Restreichweitenerkennung (sog. Strategie E) beseitigt.

Der Kläger erwarb sodann am 22. Februar 2020 von einer dritten Privatperson einen gebrauchten Audi A6 Avant (FIN: ...) mit einer Laufleistung von 127.954 km zu einem Kaufpreis von 22.750,00 EUR (Anlage K1 = Anlagenband Kläger). Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor vom Typ V6 3.0l TDI mit der Schadstoffnorm Euro 6 ausgestattet (Kläger: EA897; Beklagte: EA897 Gen2Evo).

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über unzulässige Abschalteinrichtungen, die dazu führen würden, dass es einen wesentlich höheren NOx-Ausstoß aufweise, als die Typgenehmigung des KBA ausweise. In dem Fahrzeug seien eine Aufheizstrategie ("Strategie A") und eine Restreichweitenerkennung ("Strategie E") verbaut, bei denen es sich jeweils um unzulässige Abschalteinrichtungen handele und die eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begründen würden. Zudem komme in der Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes eine Prüfstandserkennung zum Einsatz; während im normalen Fahrbetrieb das sog. dynamische Schaltprogramm zum Einsatz komme, werde auf dem Prüfstand ausschließlich ein sog. Warmlaufschaltprogramm verwendet. Das habe Auswirkungen auf die Abgasemissionen und den Kraftstoffverbrauch. Hierbei handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, weil die Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes Bestandteil des Emissionskontrollsystems sei. Durch das Software-Update sei nur die "Strategie E" beseitigt worden, nicht jedoch die weiteren, im Fahrzeug eingesetzten Abschalteinrichtungen. Deshalb bestehe ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 826, 31 BGB, weil die Beklagte sittenwidrig gehandelt habe, indem sie das Fahrzeug unter Verschweigen einer gesetzeswidrigen Software-Programmierung in den Verkehr gebracht habe. Ferner bestünden Ansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB.

Die ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge