Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 11 O 78/22) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 20. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf bis 6.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Abgasskandal".
Für das streitgegenständliche Fahrzeug, einen Audi A8 3.0l TDI liegt ein verbindlicher Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (im Folgenden: KBA) wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor. Das KBA hat hierzu - in einer Auskunft gegenüber dem Senat vom 28. Dezember 2022 (Bl. 309 f. Bd. I d.A.) - ausgeführt:
((Abbildung))
Der Rückrufcode hierzu lautet "23X6". Die Beklagte entwickelte in Abstimmung mit dem KBA ein Software-Update, das vom KBA mit Bestätigung vom 26. November 2018 freigegeben wurde und wonach keine unzulässigen Abschalteinrichtungen (mehr) vorliegen sollen. Die Fahrzeughalter wurden von der Beklagten mit Schreiben vom März 2019 über das Erfordernis eines Software-Updates informiert. Außerdem traten die Beklagte und das KBA mit Pressemitteilungen an die Öffentlichkeit (Anlagen B3 und B4) und es gab öffentliche Presseberichterstattung (Anlagen B5-B10). Die Beklagte richtete eine Webseite zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit ein (Anlage B11). Das Software-Update wurde schließlich am 23. Oktober 2020 auf das streitgegenständliche Fahrzeug aufgespielt.
Der Kläger erwarb das Fahrzeug am 7. April 2021 mit einer Laufleistung von 153.000 km von einer dritten Privatperson zu einem Kaufpreis von 22.000,00 EUR (Anlage K1). Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor vom Typ V6 3.0l TDI mit der Schadstoffnorm Euro 6 ausgestattet (Kläger: EA897).
In der Folgezeit war das Fahrzeug in einen unverschuldeten Verkehrsunfall verwickelt (vgl. Anlagen H1 und H2 = Bl. 276 ff. Bd. II d.A.).
Der Kläger hat geltend gemacht, dass in dem Fahrzeug verschiedene Strategien Anwendung finden würden, bei denen es sich um unzulässige Abschalteinrichtungen handele (Strategien A bis E). Durch das Software-Update würden Mangel bzw. Gesetzeswidrigkeit nicht beseitigt. Auch eine temperaturbedingte Abschalteinrichtung sei unzulässig. Demzufolge würde ein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB bestehen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass nach dem Hinaustreten an die Öffentlichkeit und dem Aufspielen des Software-Updates weder ein sittenwidriges Verhalten noch eine Täuschung vorliegen würden, weil der Kläger das Fahrzeug erworben habe, das er von Anfang an habe erwerben wollen. Weitere, über die festgestellte unzulässige Abschalteinrichtung hinausgehende, manipulierte Funktionen würden nicht vorliegen. Auch bestehe kein Minderwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Dementsprechend bestünden weder Ansprüche nach § 826 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
Das Landgericht hat die auf kleinen Schadensersatz gerichtete Klage durch Urteil vom 20. Juli 2022 (Bl. 108 ff. Bd. I d.A.), auf das wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts, der tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe verwiesen wird (§ 540 ZPO), abgewiesen. Ein Anspruch gem. § 826 BGB sei nicht gegeben, weil der Kläger ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht dargelegt habe. Er habe weder zum konkreten Motortyp noch dazu vorgetragen, inwieweit nach Freigabe des Software-Updates noch darüber hinausgehende unzulässige Abschalteinrichtungen vorliegen würden. Ein sittenwidriges Verhalten komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte an die Öffentlichkeit getreten sei und den die Täuschung begründenden Sachverhalt offengelegt habe, so dass der Arglosigkeit der Kunden entgegengetreten worden sei. Mangels Schutzgesetzcharakters komme auch ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB iVm europarechtlichen Schutznormen oder §§ 4, 6, 35, 36 EG-FGV nicht in Betracht.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren auf (kleinen) Schadensersatz weiterverfolgt. Das Fahrzeug sei unstreitig von einem Rückruf durch das KBA betroffen. Ferner seien mindestens zwei von fünf näher beschriebenen Abschalteinrichtungen in dem Motor des Fahrzeuges verbaut. Es handele sich um eine Aufheizstrategie (Strategie A), ein Alternatives Aufheizen (Strategie B), ein Re-Entry Aufheizen (Strategie C) sowie zwei Strategien in Bezug auf den SCR-Katalysator (Strategie D und E). Außerdem sei eine temperaturbedingte Abschalteinrichtung vorhanden, deren konkrete Funktionsweise bereits in der Klageschrift vorgetragen sei und bei der die Abgasrückführung unterhalb von 20°C und oberhalb von 30°C reduziert werde. Das Software-Update sei nicht g...