Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Betriebsgefahr eines Tanklastwagens
Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht der Betriebsgefahr i. S. d. § 7 I StVG eines Tanklastwagens zuzurechnen, wenn sich ein eigenständiger Gefahrenkreis aus der Risikosphäre des Bestellers verwirklicht (hier: fehlerhafte Füllstandsanzeige am Tank) und der Schadenseintritt beim Befüllvorgang weder auf ein Verschulden des Tanklastwagenfahrers noch auf einen Defekt des Tanklastwagens oder seiner Einrichtungen zurückzuführen ist.
Normenkette
HaftpflG § 2; StVG § 7
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 03.04.2023; Aktenzeichen 1 O 201/21) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 03. April 2023 - 1 O 201/21 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten der Nebenintervention, hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 31.592,22 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung eines Restbetrags aus einer Heizöllieferung vom 18. Juli 2019. Der Beklagte begehrt widerklagend Schadenssatz, weil Öl während des Befüllvorgangs auf seinem Grundstück ausgelaufen ist und dort Schäden verursacht hat.
Der Beklagte hatte bei der Klägerin 6.000 l Heizöl bestellt, welches auf zwei Haushalte zu jeweils 3.000 l aufgeteilt werden sollte. Im Keller des Beklagten befanden sich drei verbundene Heizöltanks, die jeweils 1.500 l, insgesamt 4.500 l, fassten. Die Füllstandsanzeige an den Tanks des Beklagten zeigte beim Beginn des Befüllvorgangs nicht den tatsächlichen Füllstand der Tanks an. Der Tankwagen und seine Einrichtungen selbst wiesen keinen Defekt auf.
Nachdem der Befüllvorgang gestartet worden war, trat bei einer Befüllung mit ca. 2.600 l Heizöl sowohl innerhalb des Gebäudes als auch außen über den Entlüftungsstutzen an der Außenwand des Gebäudes aus dem Tank Heizöl aus. Die Verunreinigungen des Gebäudes und Grundstücks führte zu Sachschäden und Folgekosten für den Beklagten.
Die Haftpflichtversicherung des Öltanklastwagens ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage nach Beweiserhebung vollständig stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung führt es aus, es habe eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung des Tankwagenfahrers, des Zeugen R., die sich die Klägerin zurechnen lassen müsste, nicht feststellen können. Das Landgericht verweist auf die Sorgfaltsanforderungen eines Öllieferanten, der keine technische Überprüfung der Anlage vornehmen müsse. Dass ein technischer Defekt an dem Öltank und seinen Einrichtungen für den Zeugen erkennbar gewesen sei, habe der Beklagte nicht bewiesen und stehe auch ansonsten nicht sicher fest.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er meint, der Tankwagenfahrer, der Zeuge R., habe die Füllstandsanzeige nicht korrekt kontrolliert und eine zu große Menge befüllt. Er verweist auf Widersprüchlichkeiten in der Aussage des Zeugen R., der bekundet habe, eine Befüllgeschwindigkeit von 180l/min gewählt zu haben. Dies hätte bei einer Befülldauer von 30 min zu einer Ölmenge von 5.400 l geführt, was zu viel für die insgesamt 4.500 l fassenden Tanks gewesen wäre.
Der Zeuge habe sich auch nicht mit den Füllungsvermögen der Tanks auseinandergesetzt, sondern sei - nach eigener Aussage - davon ausgegangen, er müsse 6.000 l befüllen. Er hätte sich zu Beginn des Einfüllvorgangs von dem einwandfreien Funktionieren der Tankanlage des Beklagten überzeugen müssen und hätte den Tankvorgang nicht unbeaufsichtigt weiterlaufen lassen dürfen. Er habe sich während des Tankvorgangs im Haus des Beklagten aufgehalten und erst bei Hinausgehen aus dem Haus bemerkt, dass das Öl überlaufe.
Er beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 03.04.2023, Az. 1 O 201/21 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 31.592,22 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (Zustellung des Schriftsatzes: 25.10.2021) zu zahlen.
Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin und die Streithelferin verteidigen die Beweiswürdigung des Landgerichts und wenden sich gegen die vom Beklagten vorgenommene Interpretation der Zeugenaussage. Dieser habe keinesfalls bekundet, er habe den Tank des Beklagten 30 min mit einer Befüllgeschwindigkeit von 180 l/min betankt, sondern er habe in seiner Vernehmung angegeben, "diese 2000 l oder das Anschließen vorweg m...