Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu einer - ausnahmsweise - in Betracht kommenden sekundären Darlegungslast des eine Entwendung seines Pkw behauptenden Versicherungsnehmers, seine wirtschaftlichen Verhältnisse betreffend, wenn bereits Indizien für eine Vortäuschung einer Entwendung bestehen
Leitsatz (amtlich)
Im Allgemeinen ist der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, für den Fall, dass der Versicherer das Vortäuschen der Entwendung behauptet, sich schon wegen dieser Behauptung zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu äußern. Es kommt aber - ausnahmsweise - in Betracht anzunehmen, dass den eine Entwendung seines Pkw behauptenden Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Verhältnisse trifft, wenn bereits konkrete Indizien für eine Vortäuschung einer Entwendung bestehen, die für sich genommen aber noch nicht ausreichen, von einer nur vorgetäuschten Entwendung auszugehen.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 09.07.2014; Aktenzeichen 6 O 127/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.7.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Hannover geändert; die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen; ausgenommen sind die von der Beklagten zu tragenden Kosten ihrer zum Versäumnisurteil vom 11.6.2013 führenden Säumnis.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht wegen des behaupteten Diebstahls eines Pkw Mercedes G 400 D Ansprüche aus einem zwischen den Parteien bestehenden Fahrzeugversicherungsvertrag, dem die AVB der Beklagten zugrunde liegen (Bl. 127 ff., Versicherungsschein vom 19.8.2009, Bl. 306, sowie vom 17.11.2009, Bl. 7), geltend.
Der Kläger hat behauptet, er habe im Beisein des Zeugen P., seines Cousins, das Fahrzeug am 5.8.2009 in C.-R. zum Preis von 36.000 EUR erworben, wobei er Bezug genommen hat auf den schriftlichen Kaufvertrag Bl. 126. Im Beisein des Zeugen P. habe er das Fahrzeug am Abend des 20.12.2009 gegen 21:00 Uhr in B. auf einem der Parkplätze der Straße "B." abgestellt gehabt. Der Zeuge P. sei an diesem Abend der Fahrer des Fahrzeugs gewesen. Gegen etwa 23:30 Uhr sei man zurückgekehrt; das Fahrzeug sei an dem Abstellort nicht mehr aufzufinden gewesen. Man habe - insoweit unstreitig - die Polizei informiert.
Das LG hat unter dem 11.6.2013 Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen (Bl. 78), am 3.12.2013 klagabweisendes Versäumnisurteil gegen den Kläger (Bl. 145).
Der Kläger hat zuletzt beantragt (Bl. 216, 1 f.), das Versäumnisurteil vom 3.12.2013 aufzuheben
und
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 34.462,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte des Weiteren zu verurteilen, an den Kläger Nebenkosten i.H.v. 1.307,81 EUR nebst Zinsen in Höhe 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat zuletzt beantragt (Bl. 217, 167), das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Sie hat insbesondere den Erwerb des Fahrzeugs und das Eigentum des Klägers an diesem in Abrede genommen, außerdem den behaupteten Diebstahl. Weiterhin hat sie vorgetragen, der Diebstahl sei nur vorgetäuscht worden. Schließlich hat sie gemeint, aufgrund von Obliegenheitsverletzungen des Klägers leistungsfrei geworden zu sein, insbesondere deshalb, weil der Kläger gegenüber der Polizei einen Kaufpreis von nur 26.000 EUR angegeben habe, außerdem, weil der Kauf nicht wie behauptet stattgefunden habe.
Das LG hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.5.2014 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen P. und S. (Bl. 201 ff.).
Das LG hat sodann gemäß dem am 9.7.2014 verkündeten Urteil der Einzelrichterin die Klage überwiegend für begründet erachtet.
Der Kläger sei zur Überzeugung des Gerichts aktivlegitimiert. Ihm stehe gemäß den AVB ein Anspruch auf Versicherungsleistung zu. Nach Vernehmung des Zeugen P. stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger und der Zeuge das Fahrzeug am 20.12.2009 am genannten Ort abgestellt hätten und es dort dann nicht wieder vorzufinden gewesen sei. Tatsachen für die Vortäuschung eines Diebstahls seien von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Die Ausrüstung des Fahrzeugs mit Wegfahrsperre und Crypto-Code genüge nicht. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung einer Obliegenheit fehle es schon an ausreichendem Vortrag der Beklagten. Die Höhe des Anspruchs unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung i.H.v. 150 EUR ergebe sich aus dem Fahrzeugbewertungsgutachten des Sachverständigen K., das die Beklagte selbst in Auftrag gegeben und nicht hinreichend substantiier...