Leitsatz (amtlich)
1. Die rechtliche Wirkung eines Schreibens eines Haftpflichtversicherers hinsichtlich der Auswirkungen auf die Verjährungshemmung nach § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG ist für den Fall, dass das Schreiben unterschiedliche Streitgegenstände zum Inhalt hat, in Bezug auf diese einzelnen Streitgegenstände differenziert zu betrachten.
2. Für den Beginn der Verjährung eines Schmerzensgeldanspruchs kommt es entscheidend auf die Sicht medizinischer Fachkreise an, nicht auf den Kenntnisstand des Verletzten selbst.
Normenkette
PflVG § 3 Nr. 3 S. 3
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 07.02.2008; Aktenzeichen 8 O 229/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 7.2.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftig noch entstehenden materiellen Schäden aus dem Unfall vom 6.4.2001 auf der BAB 24, Kilometer 108, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Träger der Sozialversicherung, Sozialhilfe oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites tragen beide Parteien je zur Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die zulässige Berufung des Klägers hat nur teilweise Erfolg.
Zu Recht hat das LG den geltend gemachten Feststellungsanspruch des Klägers bezüglich zukünftiger immaterieller Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 6.4.2001 abgewiesen. Hingegen erweist sich das Urteil des LG als fehlerhaft, soweit es dem Kläger auch den Feststellungsanspruch für künftige materielle Schäden aufgrund des Verkehrsunfalls vom 6.4.2001 versagt.
1. Die Beklagte kann sich ggü. den von dem Kläger erhobenen Feststellungsansprüchen lediglich ggü. dem auf Ersatz immaterieller Schäden gerichteten Anspruch erfolgreich auf Verjährung berufen.
Das LG ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß den §§ 7 StVG, 823, 847 BGB a.F. i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG nach den Regelungen der §§ 3 Nr. 3 Satz 1 PflVG, 852 BGB a.F. der dreijährigen Verjährung unterlagen. Die aufgrund des Schreibens der Klägervertreter vom 20.6.2001 gem. § 3 Nr. 3 PflVG eingetretene Hemmung der Verjährung endete in der Tat mit dem Schreiben der Beklagten vom 8.5.2003 (Bl. 14 d.A.), mit dem die Beklagte auf das Anspruchsschreiben der Klägervertreter vom 18.2.2003 hin den Gesamtanspruch des Klägers durch Zahlung weiterer 7.500 EUR regulierte und - bezogen auf das geltend gemachte Schmerzensgeld - ausführte:
"Unter Berücksichtigung der Gesamtfakten (keine(!) stationäre Behandlung) halten wir das Schmerzensgeld für angemessen.
Ein höheres Schmerzensgeld halten wir nicht für begründet."
Dieses Schreiben stellt in der Tat eine zum Wegfall der Verjährungshemmung führende Erklärung des Versicherers i.S.d. § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG dar. Als eine solche ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur eine anspruchsbejahende Erklärung i.S.d. § 208 BGB zu verstehen. Dem Geschädigten gegenüber muss umfassend und endgültig Klarheit über die Einstandsbereitschaft des Versicherers gegeben werden, wobei dies sowohl durch eine ablehnende als auch durch eine anspruchsbejahende Erklärung geschehen kann (vgl. nur BGH VersR 1996, 369 ff. - juris-Rz. 12, 13 und 15).
Eine solche eindeutige Erklärung enthält das Schreiben der Beklagten vom 8.5.2003 in Bezug auf das geltend gemachte Schmerzensgeld, nicht aber hinsichtlich der geltend gemachten materiellen Schäden.
Die Klägervertreter hatten ausweislich ihres Schreibens vom 18.2.2003 unter Bezugnahme auf das sog. erste Rentengutachten für den Kläger geltend gemacht, es sei mit unfallbedingten Dauerschäden sowie mit einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 % zu rechnen, und haben gerade im Hinblick auf die Schwere der Verletzungen und des Dauerschadens ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR verlangt. Dieses Verlangen war - auch aus Sicht des Klägers - auf eine endgültige Abfindung des Klägers in Bezug auf immaterielle Schäden gerichtet.
Diesbezüglich hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 8.5.2003 einen Betrag von 7.500 EUR als ausreichend angesehen und dies im Einzelnen begründet. Dabei hat sie - ebenso wie die Klägervertreter - die Gesamtfakten berücksichtigt, auf eine konkrete Entscheidung der ADAC-Schmerzensgeldtabelle verwiesen und ausdrücklich mitgeteilt, ein höherer Schmerzensgeldanspruch werde für nicht begründet erachtet. Diese Erklärung ist eindeutig und klar.
Zu Unrecht verweist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf, erst aufgrund des zweiten Rentengutachtens vom 11.2.2004 sei nunmehr bekannt, dass entgegen dem Erkenntnisstand im Jahre 2003 eine Arthrodese erforderlich werden könne. Dabei handele es sich um eine wesentliche Verschlimmerung ggü. dem ursprünglich angenommenen Heilung...