Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 19.12.1995; Aktenzeichen 7 O 221/95)

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß 543 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die auf den 10.000 DM übersteigenden Betrag des vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldes beschränkte Berufung hat zum überwiegenden Teil Erfolg. Der Senat hält anstelle des vom Landgericht angenommenen Betrags von 35.000 DM lediglich ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 DM für angemessen, so dass unter Berücksichtigung des vorprozessual gezahlten Betrags von 5.000 DM der Klägerin lediglich weitere 15.000 DM zuzusprechen waren. Darauf waren die mit der Anschlussberufung geltend gemachten und von der Beklagten anerkannten Prozesszinsen gemäß § 291 BGB zuzuerkennen; den mit der Berufung nicht angefochtenen Teilbetrag von 10.000 DM hat die hinter dem Beklagten stehende Versicherung nach übereinstimmenden Parteivortrag vom 20.04.1996 gezahlt.

Im Einzelnen beruht die Entscheidung auf folgenden Gründen:

1. Die Begründung, mit der das Landgericht ein Schmerzensgeld von 35.000 DM für angemessen gehalten hat, ist - für ein Schmerzensgeld in dieser Höhe - ungewöhnlich knapp ausgefallen. Sie lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht der Anforderungen bewusst gewesen ist, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Darlegung der für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgeblichen Gründe gestellt werden. Dazu gehört nicht nur die Darlegung der für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgeblichen tatsächlichen Umstände. Vielmehr hat ein Gericht, zumal dann, wenn es signifikant die Größenordnung verlässt, in der sich die Schmerzensgelder der Gerichte in vergleichbaren Fällen bewegen, ein deutliches Abweichen von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen besonders zu begründen. Darauf hat auch der Bundesgerichtshof wiederholt hingewiesen (BGH, VersR 1988, 943, 944; VersR 1991, 559, 560; VersR 1992, 1410, 1411). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Den Parteien ist durch vorbereitende Verfügung des Berichterstatters vom 04.09.1996 eine Rechtsprechungsübersicht über Entscheidungen zu Hundebissverletzungen im Gesicht und anderen Gesichtsverletzungen mit dauerhaften Narben nach Maßgabe der bei Hacks u.a., Schmerzensgeldbeträge, 17. Aufl., verzeichneten Entscheidungen zur Verfügung gestellt worden. Daraus ergibt sich, dass Schmerzensgelder für Hundebissverletzungen im Gesicht mit - auch entstellenden - dauerhaften Narben die vom Landgericht angenommene Größenordnung bei weitem nicht erreichen. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht einmal entnehmen, ob sich das erkennende Gericht dieser signifikanten Abweichung von den üblicherweise verhängten Schmerzensgeldern überhaupt bewusst war. Immerhin hatte das Landgericht allen Anlass, sich diesem Problem zu stellen. So hat schon im ersten Rechtszuge der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf eine nach seiner Behauptung einschlägige Entscheidung der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden hingewiesen, in der dem verletzten Kind für eine Hundebissverletzung 7.500 DM Schmerzensgeld zuerkannt worden sind (5 O 429/94). Es kommt hinzu, dass dieselbe, nämlich die 7., Zivilkammer des Landgerichts Verden nur verhältnismäßig kurze Zeit vor der erstinstanzlichen Entscheidung durch Urteil vom 29.04.1993 - 7 O 14/93 - ein Schmerzensgeld wegen einer Hundebissverletzung in die linke Wange mit vier bis zu 3 cm langen Rissverletzungen in Höhe von ebenfalls 7.500 DM für angemessen gehalten hatte (vgl. Fall Nr. 762 der Tabelle von Hacks - allerdings bei einem fünfjährigen Jungen).

Der Senat bedauert, dass durch diese den üblichen Rahmen sprengende Entscheidung des Landgerichts bei der Klägerin und ihren Eltern eine Erwartungshaltung ausgelöst oder verstärkt worden ist, durch die die jetzige Entscheidung des Senats von ihnen möglicherweise dahin missverstanden werden könnte, dass der Senat die erheblichen Gesichtsverletzungen der Klägerin etwa als "nicht so schlimm" wie das Landgericht werte. Deshalb sei vorab betont, dass die Herabsetzung des Schmerzensgeldes nicht darauf beruht, dass der Senat etwa in tatsächlicher Hinsicht geringere Verletzungsfolgen als das Landgericht zugrunde legt, sondern vielmehr allein darauf, dass das Schmerzensgeld in den für vergleichbare Fälle bestehenden Rechtsprechungsrahmen einzufügen war; dabei hat der Senat, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergeben wird, mit der Zubilligung eines Betrags von 20.000 DM das Schmerzensgeld schon der oberen Grenze des durch vergleichbare Rechtsprechung geprägten Bemessungsrahmens entnommen.

2. Aufgrund der vorgelegten neueren Portraitfotos, des von der Klägerin vorgelegten dermatologischen Privatgutachtens des Prof. ... vom 22.08.1996 und aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin legt der Senat der Schmerzensgeldbemessung folgende Umstände zugrunde:

Die Klägerin ist am 15.08.1994 vom Hund der Beklagten in das Gesicht gebissen worden; dabei kam es zu (zum Teil ...

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