Normenkette
BGB §§ 254, 828 Abs. 2; StVG § 7
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 26.06.2002; Aktenzeichen 2 O 135/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.6.2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Stade – unter Zurückweisung der Berufung i.Ü. – teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden, die ihm aus dem Unfall vom 8.6.1999 entstehen, zu 75 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 92 %, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 8 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird gestattet, die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer: für den Kläger 42.181,58 Euro (82.500 DM), für die Beklagten 3.834,69 Euro (7.500 DM).
Gründe
I. Der am 10.2.1992 geborene Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (welches nach Auffassung des Klägers bei Berücksichtigung eines eigenen Mitverschuldens von 1/4 nicht unter 75.000 DM liegen sollte) sowie auf Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 8.6.1999, 19:25 Uhr auf der Kreisstraße 105 von I. in Richtung B. in der Gemarkung H.-L. in Anspruch.
Der Beklage zu 1) befuhr mit seinem Pkw Opel Omega, welcher bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, die Kreisstraße 105 in Richtung B. In dem Abschnitt, in dem sich der Unfall ereignete, führt die Straße über eine längere Strecke schnurgeradeaus. Der Streckenabschnitt befindet sich außerhalb geschlossener Ortschaft, durchquert allerdings ein Siedlungsgebiet. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war seinerzeit für diesen Bereich auf 80 km/h festgesetzt.
Aus Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) gesehen von rechts mündet die Straße W., in welcher der Kläger wohnt, in die Kreisstraße ein. Der Verkehr auf der Kreisstraße genießt Vorfahrt (Regelung durch Verkehrszeichen 205, 306 der StVO). Im Bereich der Straße W. – wo genau ist zwischen den Parteien streitig – spielten der Kläger sowie zwei oder drei weitere Kinder. Der Kläger geriet – offenbar in sein Spiel vertieft – mit einem Spielzeug-Lkw auf die Fahrbahn der Kreisstraße, wobei er sich entweder mit den Händen auf dem Lkw aufstützte und (in gebückter Haltung) hinter diesem herlief oder sich mit einem Knie auf der Ladefläche des Spielzeug-Lkws abstützte und mit dem anderen Fuß Schwung gab. Auf der Fahrbahn der Kreisstraße kollidierte der Kläger mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1), und zwar im vorderen rechten Seitenbereich des Pkw. Der Kläger kam im rechten Grünstreifen zum Liegen. Dabei wurde der Kläger sehr schwer verletzt. Er erlitt mehrere Brüche, zudem auch erhebliche Kopfverletzungen, die zu dauernden Schäden geführt haben. Der Pkw, der den Spielzeug-Lkw unter sich mitschleifte, kam nach einer Ausweichbewegung auf dem linken Fahrstreifen ca. 31 m hinter der Unfallstelle zum Stehen.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zu 1) den Kläger (sowie weitere spielende Kinder) noch so rechtzeitig hätte sehen können und müssen, dass er durch Abbremsen seines Fahrzeugs den Zusammenstoß hätte vermeiden können, und der Beklagte zu 1) daher den Unfall verschuldet habe.
Das LG hat – nachdem es durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie Vernehmung der Zeugen P., P. und K. Beweis erhoben hat – mit Urteil vom 26.6.2002 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG insb. ausgeführt: Der Unfall beruhe nicht auf einem Verschulden des Beklagten zu 1). Aufgrund des Sachverständigengutachtens stehe fest, dass der Beklagte zu 1) nur noch 22,5 m von dem Kläger entfernt gewesen sei, als der Kläger am Rand der Kreisstraße aufgetaucht sei. Innerhalb dieser Fahrtstrecke habe der Beklagte zu 1) (der die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h auch nicht Überschritten habe) nicht mehr rechtzeitig anhalten können. Die Beklagten würden auch nicht aus Gefährdungshaftung haften. Der Unfall sei für den Beklagten zu 1) unabwendbar gewesen. Es sei nicht feststellbar, dass sich bei Annäherung an die Unfallstelle Kinder in dem für den Beklagten zu 1) einsehbaren Bereich der Straße „W.” befunden hätten. Der Beklagte zu 1) habe nicht davon ausgehen müssen, dass ein Kind auf die Straße gerate.
Mit seiner fristgemäß eingelegten und begründeten Berufung begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten entspr. seiner in erster Instanz gestellten Anträge. Das LG habe § 3 Abs. 2a StVO bei seiner rechtlichen Würdigung nicht beachtet. Jedenfalls in einer Entfernung von 75 m vor der Einmündung hätte der Beklagte zu 1) den Kläger und weitere Kinder fangen bzw. „kriegen”, s...