Leitsatz (amtlich)
1. Die Vereinbarung einer Mietsicherheit von mehr als drei Monatsmieten (ohne Vorauszahlungen) ist unwirksam.
2. Die Verpflichtung zur Leistung einer Mietsicherheit und die Erfüllung dieser Verpflichtung sind rechtlich als eine Einheit zu betrachten.
3. Wird die unwirksam vereinbarte Mietsicherheit dennoch geleistet - hier: durch eine Abtretung -, so ist auch die Abtretung insoweit unwirksam.
4. Auf die Unwirksamkeit kann sich auch ein Dritter berufen.
Normenkette
BGB §§ 139, 551
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 01.02.2010; Aktenzeichen 2 O 101/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Stade vom 1.2.2010 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, der Auszahlung der beim AG Tostedt zum Hinterlegungsgeschäftszeichen 10 HL 3/08 hinterlegten Beträge oberhalb 1.650 EUR nebst gesetzlicher Hinterlegungszinsen auf einen am 1.4.2008 eingezahlten Hinterlegungsteilbetrag i.H.v. 450 EUR und auf die weiteren ab dem 2.5.2008 eingezahlten Hinterlegungsbeträge zuzustimmen.
Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin Zinsen i.H.v. 3,8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 450 EUR ab dem 1.4.2008, auf jeweils 700 EUR ab dem 02.05., 02.06., 01.07., 04.08., 02.09., 07.10., 03.11., 2.12.2008, 05.01., 02.02., 06.03., 04.05. und 2.6.2009 sowie auf 672,59 EUR ab dem 3.4.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage hinsichtlich der weitergehenden Zinsforderung abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschwer für die Beklagte: unter 20.000 EUR
Gründe
I. Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und die Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat bis auf einen geringen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs Erfolg.
1. Die Klägerin kann von der Beklagten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zum Nachweis ihrer Berechtigung gem. § 13 der Hinterlegungsordnung (HinterlO) die Zustimmung zur Herausgabe der beim AG Tostedt hinterlegten Mieten verlangen soweit diese einen Betrag i.H.v. 1.650 EUR übersteigen.
Im Streit zweier Forderungsprätendenten über die Auszahlung hinterlegten Geldes steht dem wirklichen Rechtsinhaber gegen den anderen Prätendenten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Einwilligung in die Herausgabe zu, denn letzterer hat auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Stellung eines Hinterlegungsbeteiligten erlangt (BGH NJW 2008, 2702; 2000, 291). Wer wirklicher Rechtsinhaber ist, entscheidet das materielle Recht. Für die Frage der Freigabepflicht ist die Gläubigerstellung ggü. dem hinterlegenden Schuldner und nicht das Innenverhältnis zwischen den Prätendenten maßgebend. Von entscheidender Bedeutung ist daher, ob dem klagenden Prätendenten tatsächlich eine Forderung gegen den hinterlegenden Schuldner - hier den Mietern des Steuerschuldners - zusteht (vgl. BGH NJW 2000, 291).
Dies ist hier entgegen den Feststellungen des LG - hinsichtlich des über 1.650 EUR hinausgehenden Betrages - der Fall, da die Ansprüche des Steuerschuldners gegen seine Mieter aus dem Mietvertrag über die Dachgeschosswohnung H-Straße 14, XXXX8 H. nicht wirksam an die Beklagte abgetreten sind.
Es kann dahinstehen, ob - wie die Berufungsklägerin rügt - die in § 30 des Mietvertrages vereinbarte Abtretung ohnehin nur Mietzinsansprüche des Steuerschuldners gegen seine Mieter W. und H. in Höhe der vereinbarten Kaution und damit lediglich drei Nettokaltmieten (1.650 EUR) umfasst (1.1.). Sofern die Abtretung nämlich weitere Monatsmieten erfasst, wäre sie jedenfalls nach §§ 551 Abs., 4, 139 BGB unwirksam (1.2.). Ob die Abtretung darüber hinaus auch nach § 3 AnfG wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung wirksam angefochten werden kann, kann danach offen bleiben (1.3.).
1.1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist nicht schon nach dem Wortlaut des § 30 des Mietvertrages eindeutig, dass ohnehin nur der Anspruch des Steuerschuldners auf - die nicht streitgegenständlichen - drei Monatsmieten (1.650 EUR) an die Beklagte abgetreten ist.
In § 30 des Mietvertrages heißt es nämlich:
"§ 30 Sonstige Vereinbarungen:
Zu § 12 Mietsicherheit
Anstelle der Hinterlegung einer Kaution tritt der Mieter (M. S.) als Sicherheit für sämtliche Verpflichtungen aus diesem Mietvertrag seine Ansprüche auf Zahlung der Netto-Kaltmiete aus dem Mietvertrag S./W., H. über die Dachgeschosswohnung des Hauses H-Straße 14 in XXXX8 H. an K. P. [Vermieterin] ab. Diese nimmt die Abtretung an. Die Vermieterin ist jederzeit berechtigt, diese Abtretung anzuzeigen und die Mieter anzuweisen, die Miete aus dem Vertrag S./W., H. direkt auf das in § 11 dieses Vertrages genannte Konto der Vermieterin zu zahlen."
Eine Beschränkung der Abtretung auf nur drei Monatsmieten ist dieser...