Erträge einer Mietkaution stehen auch bei extremen Wertsteigerungen dem Mieter zu
Die Entscheidung des AG Köln betrifft einen Fall, in dem die Tochter nach dem Tod ihrer Eltern von der früheren Vermieterin der Eltern die Kursgewinne herausverlangte, die diese mit der in Aktien angelegten Mietkaution während der Mietzeit ihrer Eltern erzielt hatte.
Anlage der Mietkaution in Aktien vereinbart
Die Eltern der Klägerin hatten im Jahr 1960 von der beklagten Wohnungsgesellschaft eine Wohnung angemietet und hierbei eine Kaution in Höhe von 800 D-Mark hinterlegt. Nach den Bestimmungen des Mietvertrages war die Vermieterin berechtigt, die Mietkaution in Aktien anzulegen. Im Mietvertrag wurde vereinbart, dass die Vermieterin bei Beendigung des Mietverhältnisses nach ihrer Wahl die Kaution in Form der angelegten Aktien herausgeben oder den Nominalbetrag von 800 D-Mark auszahlen dürfe.
Ab 2005 Dividendenausschüttungen an die Eltern
Im Jahr 2005 bezogen die Eltern eine andere Wohnung der gleichen Wohnungsgesellschaft. Die hinterlegte Kaution von 800 D-Mark wurde in einem Kautionsbetrag von 409 Euro umgerechnet und auf den neuen Mietvertrag übertragen. Die Wohnungsgesellschaft ließ den Kautionsbetrag - wie schon zuvor - von einem Treuhänder verwalten, der die Kaution weiterhin in Aktien anlegte. In der Folgezeit zahlte der Treuhänder die mit der Aktienanlage erzielten Dividenden in Höhe von fast 6.000 Euro bis zum Jahre 2017 an die Mieter aus.
Erbin forderte Herausgabe des Aktiendepots
Nach dem Tod der Eltern und Beendigung des Mietverhältnisses im Jahr 2018 forderte die Tochter als Alleinerbin von der Wohnungsgesellschaft die Übertragung des Aktiendepots auf sich. Die beklagte Wohnungsgesellschaft verweigerte sich diesem Wunsch und verwies auf die Klausel des Mietvertrages, wonach sie nach ihrer Wahl statt des Aktiendepots den Nominalbetrag der Mietkaution in Höhe von 409 Euro bei Beendigung des Mietverhältnisses auszahlen könne.
Mieter haben Anspruch auf Kautionserträge
Die Argumentation der Beklagten ließ das AG nicht gelten. Das Gericht verwies auf die Vorschrift des § 551 BGB. Gemäß § 551 Abs. 3 Satz 3 BGB stehen dem Mieter im Falle einer Anlage der Mietkaution gleich in welcher Form grundsätzlich die Erträge zu. § 551 Abs. 4 BGB bestimmt ausdrücklich, dass eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam ist. Damit ist nach Auffassung des AG die im ursprünglichen Mietvertrag von 1960 vorgesehene Vereinbarung eines Wahlrechts der Vermieterin unwirksam.
Änderung der Rechtslage vor Abschluss des 2. Mietvertrages
Das Gegenargument der Klägerin, § 551 BGB sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages im Jahre 1960 noch nicht existent gewesen, überzeugte das AG nicht. Nach Auffassung des AG war die Vereinbarung über die Möglichkeit der Anlage einer Mietkaution in Aktien im Jahr 1960 wahrscheinlich ohnehin rechtlich unzulässig. Nach der bis zum Jahr 2001 geltenden gesetzlichen Regelung sei die Anlage einer Mietkaution auf einem üblichen Sparbuch zwingend gewesen. Dies habe sich erst durch die Mietrechtsreform im Jahr 2001 geändert. Entscheidend für die jetzige Beurteilung der Rechtslage sei, dass die Vorschrift des § 551 BGB im Rahmen der Mietrechtsreform im Jahr 2001 in Kraft getreten und damit im Jahr 2005 bei Abschluss des 2. Mietvertrages über die neubezogene Wohnung der Eltern der Klägerin maßgeblich gewesen sei.
Der Wohnungsgesellschaft war die neue Rechtslage bekannt
Dass diese gesetzliche Regelung für den neuen, im Jahr 2005 abgeschlossenen Mietvertrag gilt, sei der Beklagten auch bewusst gewesen. Dies zeige sich u.a. daran, dass der Treuhänder, der die Mietkaution verwaltet habe, im Auftrag der Beklagten entsprechend der neuen Gesetzeslage die mit der Aktienanlage erzielten Dividenden und sonstigen Erträge in der Folgezeit an die Eltern der Klägerin ausgezahlt habe. Im Jahr 2005 sei also nach dem Willen beider Mietvertragsparteien auch die Kaution in den neuen Mietvertrag überführt und damit der zu diesem Zeitpunkt geltenden Gesetzeslage unterstellt worden.
Kein Wahlrecht des Vermieters
Das AG betonte, dass dieses Ergebnis auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 551 BGB entspreche. Mit der Vorschrift habe der Gesetzgeber gewährleisten wollen, dass im Falle der Vereinbarung einer besonderen Anlageform für die Mietkaution der Vermieter nicht die Möglichkeit erhalten soll, im Wege der „Rosinenpickerei“ die für ihn günstigste Rückgabeform zu wählen, sprich bei Kursverlusten diese auf den Mieter abzuwälzen, bei Kursgewinnen diese selbst einzustreichen.
Klägerin hat Anspruch auf Übertragung des Aktiendepots
Im Ergebnis hat sich die von den Eltern eingezahlte Kaution für ihre Tochter gelohnt. Die Wohnungsgesellschaft muss das Aktiendepot, das zum Zeitpunkt der Klageerhebung einen Wert von ca. 115.000 Euro hatte, komplett auf die Klägerin übertragen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
(AG Köln, Urteil v. 19.7.2022, 203 C 199/21)
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