Leitsatz (amtlich)

1. Bewilligen zwei Grundstückseigentümer, die ideelle Miteigentümer zu je ½ sind, die Eintragung einer Grundschuld am Gesamtgrundstück, ist die Löschung der Grundschuld nur auf einer der ideellen Grundstückshälften ausgeschlossen.

2. Eine anfängliche Übersicherung des Kreditgebers durch Einräumung einer Grundschuld begründet nur dann eine Sittenwidrigkeit, wenn bereits bei Vertragsschluss gewiss ist, dass im noch ungewissen Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung bestehen wird.

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 09.07.2008; Aktenzeichen 6 O 92/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.03.2010; Aktenzeichen V ZR 52/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.7.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Hildesheim teilweise geändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, der Löschung der im Grundbuch von E. Blatt A Abt. III lfd. Nr. 2 eingetragenen Grundschuld über 600.000 DM (306.775,12 EUR) in Höhe eines Betrages von 146.161,34 EUR zuzustimmen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 4/5, die Beklagte 1/5. Hiervon ausgenommen sind die dem Streithelfer entstandenen Kosten; dieser trägt seine Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der Gegenseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die zu vollstreckende Forderung um 10 % übersteigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Freigabe einer Grundschuld, mit der eine Darlehensschuld des geschiedenen Ehemannes der Klägerin besichert wird.

Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann sind Eigentümer des im Grundbuch von E. Blatt A eingetragenen Grundstücks, und zwar je zur Hälfte (vgl. Grundbuch-auszug Bl. 12 d.A.). In Abt. III des Grundbuchs ist unter lfd. Nr. 2 eine Grundschuld über 600.000 DM (306.757,12 EUR) für die Beklagte eingetragen (Bl. 13 f. d.A.). Die Grundschuld dient ausweislich der von der Klägerin und ihrem Ehemann unterzeichneten Zweckerklärung vom 10.9.1998 (Bl. 15 d.A.) der Sicherung aller Forderungen der Beklagten aus sechs, dem Ehemann gewährten Darlehen i.H.v. insgesamt ursprünglich 793.000 DM. Wegen der Einzelheiten der Zweckerklärung wird auf die Ablichtung Bl. 15 f. d.A. verwiesen.

Die Klägerin, die die Zweckerklärung mit Schreiben vom 1.9.2006 gekündigt und wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, hat die Auffassung vertreten, die Zweckerklärung sei wegen anfänglicher Übersicherung der Beklagten, die sich für einen Kredit i.H.v. 600.000 DM Grundschulden an verschie-denen Grundstücken der Klägerin und ihres Mannes über insgesamt 1,9 Mio. DM habe einräumen lassen, sittenwidrig und damit nichtig. Auch eine nachträgliche Übersicherung liege vor, da sich die Restforderung der Beklagten nach Kündigung des Kreditengagements und teilweiser Verwertung von Sicherheiten nur noch auf 130.000 EUR belaufe. Hierfür reiche eine Haftung des Grundstücksteils des Ehemannes aus. Die Anfechtung der Zweckerklärung wegen arglistiger Täuschung stützt die Klägerin auf die Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, sie bei Vereinbarung der Zweckerklärung darauf hinzuweisen, dass bereits weitere Sicherheiten bestanden.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der im Grundbuch von E. Blatt A Abt. III lfd. Nr. 2 auf der Grundstückshälfte der Klägerin eingetragenen Grundschuld über 600.000 DM zuzustimmen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der im Grundbuch von E. Blatt A Abt. III lfd. Nr. 2 auf der Grundstückshälfte der Klägerin eingetragenen Grundschuld über 600.000 DM i.H.v. 178.165,89 EUR zuzustimmen, höchsthilfsweise, aufgrund der von der Beklagten behaupteten Gesamtforderung gegen den Streitverkündeten i.H.v. 160.613,78 EUR die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der im Grundbuch von E. Blatt A Abt. III lfd. Nr. 2 eingetragenen Grundschuld über 600.000 DM i.H.v. 146.161,34 EUR zuzustimmen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, dem Ehemann der Klägerin seien ursprünglich Kredite i.H.v. insgesamt 1.366.490,38 DM bewilligt worden. Diese hätten im Zeitpunkt der Abgabe der Zweckerklärung seitens der Klägerin im September 1998 noch i.H.v. rd. 900.000 DM valutiert. Unter Berücksichtigung der - auf 60 % des Grundstückswerts begrenzten - Beleihungsgrundsätze der Niedersächsischen Sparkassenverordnung habe bei Abgabe der Zweckerklärung im August 1998 keine Übersicherung bestanden. Zu einer Aufklärung der Klägerin über das Bestehen weiterer Sicherheiten sei sie nicht verpflichtet gewesen. Viel mehr habe sie davon ausgehen können, dass die ...

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