Leitsatz (amtlich)

Kommt es im Rahmen der Zwangsversteigerung eines Grundstücks zum Doppelausgebot, sind die nach den gesetzlichen und den abweichenden Bedingungen abgegebenen Gebote in ihrem wirtschaftlichen Wert zu vergleichen.

 

Normenkette

ZVG § 59

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 04.11.2008; Aktenzeichen 5 O 146/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4.11.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 44.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.7.2008 sowie weitere 1.530,58 EUR zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 % Übersteigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz i.H.v. 44.000 EUR mit der Begründung in Anspruch, dieser habe sie im Zusammenhang mit einer Zwangsversteigerung eines Grundstücks falsch beraten. Die am ... 1941 geborene Klägerin war ursprünglich selbst Eigentümerin eines Reihenmittelhauses in der E. in L. Sie hatte dieses Hausgrundstück vor mehr als 20 Jahren ihren Töchtern B. G. und A. K., geborene G., übertragen. Zugunsten der Klägerin war ein lebenslanges Wohn- und Nießbrauchsrecht im Grundbuch eingetragen.

Durch Beschluss des AG Lüneburg vom 21.4.2002 wurde die Zwangsversteigerung des Hauses angeordnet. Die Klägerin, die insbesondere eine Verbraucherinsolvenz ihrer Tochter B. zu vermeiden suchte, beauftragte den Beklagten damit, durch eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern eine Zwangsversteigerung des Grundstücks zu vermeiden. Da eine solche Einigung - nach Auffassung der Klägerin wegen der Untätigkeit des Beklagten - scheiterte, kam es am 20.7.2005 wegen einer Forderung der Sparkasse H.-B. i.H.v. 135.311,82 EUR beim AG Lüneburg zur Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks. Dessen Verkehrswert war mit 123.000 EUR festgesetzt worden. Das geringste Gebot belief sich zunächst auf 15.338,76 EUR. Hierin war das Wohnrecht der Klägerin, das dem Recht der betreibenden Gläubigerin nachging (vgl. Grundbuchauszug Bl. 15 der Akten) nicht berücksichtigt. Im Versteigerungstermin wies der Rechtspfleger darauf hin, dass es sich bei dem Wohnrecht um ein Recht i.S.v. § 9 Abs. 2 EGZVG handele, das als Recht bestehen bleibe. Das Wohnrecht wurde von ihm mit einem Ersatzwert von 45.000 EUR (15 Jahre, Jahreswert 3.000 EUR) bewertet. Die Behandlung des Wohnrechts als solches i.S.v. § 9 Abs. 2 EGZVG hatte zur Folge, dass das Wohnrecht bei der Versteigerung nach den gesetzlichen Bestimmungen bestehen blieb.

Zu Beginn der Versteigerung beantragte der Vertreter der die Versteigerung be-treibenden Sparkasse als abweichende Versteigerungsbedingung gem. § 9 Abs. 2 EGZVG das Erlöschen des in Abteilung II Nr. 3 eingetragenen Wohnrechts. Die Klägerin als Berechtigte dieses Wohnrechts gab hierzu keine Erklärung ab.

Im Rahmen der Versteigerung wurde eine Mehrzahl von Geboten abgegeben, wobei die Interessenten jeweils - zuletzt i.H.v. 141.000 EUR - lediglich auf die abweichenden Bedingungen, die zu einem Wegfall des Wohnrechts geführt hätten, boten, wohin die Klägerin durchgängig ihr Gebot sowohl auf die abweichenden als auch in jeweils gleicher Höhe auf die gesetzlichen Bedingungen - Fortbestand des Wohnrechts - abgab. Das Höchstgebot der Klägerin belief sich auf 140.500 EUR. Nach Beendigung der Bieterstunde wurde der Klägerin der Zuschlag auf ihr Gebot nach den gesetzlichen Bedingungen erteilt. Der Zuschlag erfolgte zugunsten der Klägerin, obgleich die Bieterin S. ein um 500 EUR höheres Gebot abgegeben hatte; denn da die Klägerin nach den gesetzlichen Bedingungen geboten hatte, blieb das Wohnrecht bestehen, was im Gebot der Klägerin zu berücksichtigen war.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte hätte ihr raten müssen, bei Abgabe des Gebots nach den gesetzlichen Bestimmungen das mit 45.000 EUR bewertete Wohnrecht zu berücksichtigen. Sie hätte dann auch bei einem um 44.000 EUR geringeren Gebot den Zuschlag erhalten.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 44.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.530,58 EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat einen Beratungsfehler bestritten und die Auffassung vertreten, bei der Versteigerung nach den gesetzlichen Bedingungen, bei denen das Wohnrecht bestehen blieb, hätte der Zuschlag nur auf ein Gebot erteilt werden dürfen, das die Forderung der die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigerin abdeckte. Unter Berücksichtigung von Kosten und Zinsen habe sich dieses...

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