Leitsatz (amtlich)
Die Sorgfaltsanforderungen des § 14 Abs. 1 StVO gelten für die gesamte Dauer des Ein- oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Ein- oder Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist.
Normenkette
StVO § 14
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 24.03.2010; Aktenzeichen 3 O 82/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 24.3.2010 abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.298,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.3.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Auf die Widerklage werden der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten zu 2 1.356,49 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.5.2009 zu zahlen und den Beklagten zu 2 von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 186,24 EUR freizustellen.
Auf die Widerklage wird darüber hinaus die Drittwiderbeklagte allein verurteilt, an den Beklagten zu 2 weitere 1.356,49 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.5.2009 zu zahlen und den Beklagten zu 2 von weiteren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 86,63 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 14 %, darüber hinaus der Kläger allein zu 35 %, die Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner zu 35 % und im Übrigen zu 16 % der Beklagte zu 2 allein.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen zu 34 % die Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner, zu 17 % der Beklagten zu 2 allein und im Übrigen - zu 49 % - der Kläger selbst.
Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten tragen zu 54 % der Beklagte zu 2, im Übrigen - zu 46 % - die Drittwiderbeklagte selbst.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 tragen zu 14 % der
Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner, darüber hinaus der Kläger zu weiteren 35 % allein und im Übrigen - zu 51 % - der Beklagte zu 2 selbst.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 3 tragen zu 50 % der Kläger und im Übrigen - zu 50 % - die Beklagten zu 1 und 3 selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 11 %, darüber hinaus der Kläger zu 28 % und die Drittwiderbeklagte zu 22 % allein, die Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner zu 28 % und im Übrigen zu 11 % der Beklagte zu 2 allein.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen zu 35 % die Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner, zu 15 % der Beklagte zu 2 allein und im Übrigen - zu 50 % - der Kläger selbst.
Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten tragen zu 25 % die Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner, im Übrigen - zu 75 % - die Drittwiderbeklagte selbst.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 tragen zu 11 % der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner, darüber hinaus zu weiteren 27 % der Kläger und zu weiteren 23 % die Drittwiderbeklagte allein, im Übrigen - zu 39 % - der Beklagte zu 2 selbst.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 3 tragen zu 50 % der Kläger, im Übrigen - zu 50 % - die Beklagten zu 1 und 3 selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO):
Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
1. Zur Haftungsverteilung:
a) Gegen die Beklagte zu 1 spricht nicht nur der Beweis des ersten Anscheins, dass sie die ihr gem. § 14 Abs. 1 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten missachtet hat. Ein Pflichtverstoß ist vielmehr bewiesen (§ 286 ZPO). Die Beklagte zu 1 hat selbst angegeben, die linke hintere Fahrertür geöffnet gelassen zu haben, nachdem sie ihrer Tochter beim Einsteigen geholfen hatte. Dabei ragte die Tür auf jeden Fall in die Fahrbahn, auf der dann der Kläger heranfuhr, hinein. Dieser Zustand hat mindestens 2 bis 3, nach Einschätzung der Beklagten zu 1 sogar 5 Minuten angehalten.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 6.10.2009 - VI ZR 316/08, NZV 2010, 24, Rz. 11) gilt die Sorgfaltsanforderung des § 14 Abs. 1 StVO für die gesamte Dauer des Ein- oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Ein- oder Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist. Die Fahrzeugtür war hier unstreitig nicht geschlossen und die Beklagte zu 1 befand sich bei dem Pkw. Damit ist ihr ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO vorzuwerfen.
b) Die Haftung d...