Verfahrensgang

LG Hannover (Entscheidung vom 26.04.2021; Aktenzeichen 12 O 142/19)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 10.05.2023; Aktenzeichen VII ZR 180/22)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. April 2021 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer/Einzelrichterin des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Der Klägerin fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Werklohn mit der Behauptung in Anspruch, die Beklagte habe für ein sehr umfangreiches Bauvorhaben nicht - wie von dieser behauptet - lediglich einen Teil beauftragt, sondern die gesamte Maßnahme. Die Klägerin ist der Auffassung, die "Kündigungserklärung" der Beklagten vom 28. Juni 2018 sei als freie Kündigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B, § 648 BGB zu verstehen, weshalb ihr der vereinbarte Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen zustehe.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil (Blatt 225 ff.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, einer Kündigung hätte es nicht bedurft, weil die Beklagte die Klägerin lediglich gemäß der SAP-Bestellung vom 26. Juli 2017 (Anlage K2, Anlagenordner) hinsichtlich eines Teils des gesamten Projekts beauftragt habe und nicht für das komplette Bauvorhaben.

Wegen der Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil (Blatt 127 ff.) Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt.

Sie meint, aus dem im Januar 2018 geschlossenen Bauvertrag ergebe sich im Wege der Auslegung, dass die Beklagte das gesamte Bauvorhaben beauftragt habe. Der Vertrag genieße die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Die Beweislast für Abweichendes trage die Beklagte.

Mit keinem Wort sei in dem Vertrag von einem "Rahmenvertrag" oder mit irgendeinem anderen Begriff davon die Rede, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer keinen Bauauftrag hätte erteilen wollen. Weder dem Verhandlungsprotokoll noch den Begleitumständen seien Umstände zu entnehmen, die Anlass gäben, von einer nur eingeschränkten Beauftragung auszugehen. Solche Umstände hätten sich auch in der Beweisaufnahme nicht ergeben. In der Beweisaufnahme sei deutlich geworden, dass es der Beklagten nur um eine Ausstiegsmöglichkeit gegangen sei.

Zu berücksichtigen sei, dass die Parteien ausweislich der E-Mails von Beklagtenseite übereinstimmend davon ausgegangen seien, der Vertrag umfasse auch die weiteren Bauabschnitte, die nicht Gegenstand der Vorab-Teilbeauftragung gewesen seien. Die Interessenlage der Klägerin spreche ebenfalls dagegen, nur einen Teilauftrag zu erhalten, jedoch für den Gesamtauftrag schon einen Nachlass von 5 % zu gewähren.

Der Hinweis auf eine "SAP-Bestellung" in den Vertragsunterlagen ändere an diesem Auslegungsergebnis nichts. Dieser Terminus sei lediglich eine technische Vorgabe für die weitere Bearbeitung mit der Betriebssoftware, z.B. in der Buchhaltung. Der Regelungsgehalt von 7.0 der Verhandlungsprotokolle beschränke sich darauf klarzustellen, dass die Beklagte sich vorbehalten habe, das (modifizierte) Angebot später in Form einer SAP-Bestellung anzunehmen.

Das Angebot der Klägerin nach dem Ergebnis der Angebotsverhandlungen habe die Beklagte nicht angenommen, weil sie sich entschlossen habe, eine "SAP-Bestellung" lediglich für eine Teilleistung abzugeben. Dieses neue Angebot habe die Klägerin in der Folgezeit durch konkludentes Handeln angenommen, womit diese Teilleistung zum Zeitpunkt des Bauvertragsschlusses im Januar 2018 bereits beauftragt gewesen sei. Der im Bauvertrag vereinbarte Werklohn habe die Gesamtleistung einschließlich der bereits beauftragten Teilleistung umfasst, sodass es wichtig gewesen sei, die bereits erteilte Teilbeauftragung im Bauvertrag als "SAP-Bestellung" zur Vertragsgrundlage zu machen. Anderenfalls hätte der Eindruck entstehen können, der Werklohn von gut 5,3 Millionen EUR stelle die Vergütung für die noch nicht beauftragten Leistungen dar.

Die Parteien hätten auch keine bestimmte Form für ihre Willenserklärungen oder einen Vertragsschluss vereinbart. Im Übrigen hätten die Parteien eine etwa selbst gewählte Form konkludent aufgehoben.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des vom Landgericht Hannover zu Aktenzeichen 12 O 142/19 am 26. April 2021 verkündete Urteil nach den erstinstanzlichen Anträgen der Klägerin zu erkennen, nämlich,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.061.373,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. November 2018 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 7121,90 EUR nebst Zinsen...

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