Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der wirksamen Einbeziehung von AVB nach § 23 Abs. 3 AGB-Gesetz: Die danach erforderliche Genehmigung muss nachgewiesen werden; dazu genügt nicht der Hinweis auf die Üblichkeit oder die Genehmigungsfähigkeit der AVB.
2. Zur Frage, ob es in der Berufshaftpflichtversicherung eines Architekten pro Bauvorhaben nur einen oder mehrere Versicherungsfälle geben kann: Der Senat vertritt dazu die Auffassung, dass es keine Veranlassung gibt, regelmäßig nur von einem Versicherungsfall auszugehen, auch dann nicht, wenn es sich um ein einheitliches Bauvorhaben handelt. Nur durch die Anerkennung der grundsätzlichen Möglichkeit, dass mehrere Versicherungsfälle vorliegen können, lässt sich dem Sinn der Berufshaftpflichtversicherung entsprechen. Wenn der Architekt mehrere Fehler macht und seinem Auftraggeber dadurch mehrfach Schäden entstehen, muss die Versicherung dem korrespondieren und muss es zumindest in Betracht kommen, dass mehrfach Ansprüche gegen den Versicherer bestehen.
Normenkette
AGB-Gesetz § 23 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 14.08.2009; Aktenzeichen 13 O 108/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.8.2009 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 61.537,33 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.5.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4/7 und die Beklagte 3/7.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt aus abgetretenem Recht seines früheren Architekten S. die Beklagte als Haftpflichtversicherer in Anspruch.
Zwischen dem Architekten und der Beklagten bestand auf der Grundlage des Antrages Anlage B 10 (Bl. 174 d.A.), der einen Hinweis auf die AVB der Beklagten nebst Sonderbedingungen enthält, seit 15.9.1988 eine Berufshaftpflichtversicherung. Unter dem 21.10.1988 (Anlage B 7, Bl. 164 d.A.) und dem 27.7.1989 (Anlage B 8, Bl. 165 d.A.) erhielt der Architekt einen Versicherungsschein. Im letztgenannten heißt es auf S. 2:
"Anlagen: Satzung, H 051, H 101, H 104. Die nicht beigefügten Anlagen liegen Ihnen bereits vor."
Ob die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Betriebs- und Privathaftpflichtversicherung (AVB) H 051" (Anlage B 9, Bl. 168 d.A., die als Anlage B 3 vorher vorgelegten AVB stammen aus dem Jahr 1998) in den Vertrag einbezogen wurden, ist zwischen den Parteien im Streit. Es heißt in den AVB unter § 16 Ziff. 6 (Bl. 172 d.A.), dass es dem Versicherten nicht gestattet ist, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers gegen ihn erhobene Haftpflichtansprüche anzuerkennen, und ansonsten der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, es sei denn, dass nach den Umständen der Versicherte die Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte.
Im Jahr 1991 beauftragte der Kläger den Architekten S. mit der Planung, Bauüberwachung und Objektbetreuung für den Um- und Ausbau seines Anwesens E. straße in L., einem Ortsteil von W.; er hatte sämtliche Leistungsphasen zu erbringen (Beiakten 8 OH 16/96 LG Lüneburg, Bl. 43 d.A.). Unter anderem hinsichtlich des Trockenbaus und der Erneuerung des Daches traten erhebliche Mängel auf. In einem selbständigen Beweisverfahren machte der Kläger mit Schriftsatz vom 17.7.1996 ggü. der R. GmbH und dem Architekten S. Mängel geltend (8 OH 16/96 LG Lüneburg). Mit Schriftsatz vom gleichen Tag machte der Kläger ggü. dem Baubetrieb St., der insbesondere mit den Arbeiten an den Dächern der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude beauftragt war, sowie dem Architekten S. Mängel geltend (8 OH 18/96 LG Lüneburg). Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 19.9.1997 vor dem LG Lüneburg (Beiakten 5 O 156/04, ursprünglich 8 O 374/97) gegen die mit dem Trockenausbau beauftragte R. GmbH und den Architekten S. Klage auf Kostenvorschuss bzw. auf Zahlung von Schadensersatz wegen Mängeln bei der Ausführung bzw. mangelhafter Objektüberwachung hinsichtlich der Dach- und Trockenbauarbeiten auf Zahlung von 169.395 DM. Soweit die Klage auch gegen die Firma R. wegen der Trockenbauarbeiten gerichtet war, endete der Rechtsstreit mit einem Vergleich, der in der mündlichen Verhandlung vom 30.4.2003 geschlossen wurde, und worin sich die Firma R. verpflichtete, an den Kläger zur Abgeltung sämtlicher wechselseitigen Ansprüche einen Betrag von 18.750 EUR zu zahlen (Beiakte...