Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehegüterrecht: Verfügung über Vermögen im Ganzen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ermittlung des Vermögens und bei der Abwägung, ob ein veräußerter Gegenstand, verglichen mit dem restlichen Vermögen, im Wesentlichen das gesamte Vermögen der verfügenden Ehegatten darstellt, ist nicht nur der Wert der verbleibenden Vermögensstücke, sondern auch der des veräußerten Grundstücks um die darauf ruhenden dinglichen Belastungen zu vermindern.

2. Der normalerweise für eine Beweisaufnahme ausreichende Vortrag einer Partei zum Wert eines Grundstücks, dieses habe einen bestimmten Wert x, kann unter bestimmten Umständen unzureichend sein, um über die Behauptung der Partei Beweis zu erheben, z.B. wenn genügend Anhaltspunkte vorhanden sind, die gegen den von der Partei behaupteten Wert sprechen.

 

Normenkette

BGB § 1365; ZPO § 284

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 08.01.2009; Aktenzeichen 4 O 397/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.1.2009 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Verden abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer für die Klägerin: über 20.000 EUR.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage.

I. Die Klägerin verfolgt mit ihrem Klagebegehren das Ziel, die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat entsprechend dem Klagbegehren die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 4.7.2006 für unzulässig erklärt. Zur Begründung hat das LG angegeben, dass es zwar nicht an einem wirksamen Vollstreckungstitel fehle, da mit der zwischen den Parteien getroffenen Regelung kein Mietverhältnis begründet, sondern nur eine Vereinbarung über eine Räumungsfrist und eine Nutzungsentschädigung getroffen sei. Allerdings sei der notarielle Kaufvertrag gem. §§ 1365, 1366 BGB unwirksam, da es an einer Zustimmung des Ehemanns der Klägerin fehle. Das Haus habe das Vermögen der Klägerin im Ganzen dargestellt, was die Beklagte aufgrund der langen Geschäftsbeziehung gewusst habe. Dabei sei der von den Parteien für den Grundbesitz angenommene Wert entscheidend. Die Höhe der tatsächlichen Verbindlichkeiten sei egal. Für beide Parteien sei klar gewesen, dass das Haus einen über die Verbindlichkeiten hinausgehenden Wert besessen habe, da von dem Kaufpreis von 250.000 EUR nur ein Betrag von 200.000 EUR zur Begleichung von Verbindlichkeiten dienen sollte und 50.000 EUR an die Klägerin in bar ausgezahlt werden sollten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Diese greift zunächst die Ansicht des LG zu § 1365 BGB an und meint, es komme stattdessen auf den Wert des von der Verfügung betroffenen Gegenstands im Zeitpunkt der Verfügung an, wobei der Wert des belasteten Grundstücks um die auf ihm ruhenden dinglichen Belastungen zu vermindern sei. Das Grundstück habe im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen Wert von maximal 250.000 EUR aufgewiesen. Das Haus habe aufgrund der Verbindlichkeiten der Klägerin von etwa 262.000 EUR keinerlei Wert mehr gehabt. Einer Zustimmung des Ehemanns habe es nicht bedurft.

Die Beklagte stellt den Antrag, das am 8.1.2009 verkündete Urteil des LG Verden - 4 O 397/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin stellt den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt im Hinblick auf den zwischenzeitlich ergangenen Hinweis des Senats vom 18.3.2009 ihr Verteidigungsbringen näher aus. Auf die Schriftsätze vom 15.4. und 26.5.2009 wird Bezug genommen.

Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28.5.2009 persönlich angehört.

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch dahingehend zu, die Zwangsvollstreckung aus der in Rede stehenden notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären. Der Kaufvertrag vom 4.7.2006 ist wirksam.

Eine Unwirksamkeit ergibt sich nicht daraus, dass der Ehemann der Klägerin nicht sein Einverständnis mit dem Verkauf des Hauses erklärt hat. Dieses Einverständnis war nicht notwendig, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Klägerin mit ihrem Ehemann zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch im gesetzlichen Güterstand lebte. Ferner kann dahinstehen, ob die Klägerin entgegen der Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der notariellen Urkunde und ihrer Erklärung in § 11 des Kaufvertrags vom 4.7.2006 in Gegenwart der Beklagten und insbesondere im Beurkundungstermin in Anwesenheit des Notars erklärt hat, es entspräche nicht der W...

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