Leitsatz (amtlich)
Hat der Architekt auch die Objektbetreuung und Dokumentation zu erbringen, kann die Verjährung der Gewährleistungsansprüche gegen ihn frühestens mit Ablauf der Gewährleistungsfristen für die am Bau beteiligten Handwerker beginnen.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 13.04.2010; Aktenzeichen 3 O 373/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Hildesheim vom 13.4.2010 teilweise geändert:
Das Urteil und das Verfahren werden aufgehoben und die Sache zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen, soweit der Kläger Schadensersatzansprüche wegen Mängeln an den Glaserkern, den Fassadenelementen und den Balkonen i.H.v. 419.224,50 EUR geltend macht.
Im Übrigen wird die Berufung (hinsichtlich der Mängel an den Dachgauben) zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem LG vorbehalten, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt vom Beklagten Schadensersatz für Planungs- und Aufsichtsfehler aufgrund eines Architektenvertrages über die Planung und Bauüberwachung eines Bauvorhabens mit 80 Wohneinheiten in G., H.-Straße 140.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die Festsstellungen des landgerichtlichen Urteils (Bl. 150f d.A.) Bezug genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Ansprüche des Klägers verjährt seien. Wegen der Begründung des Ausspruches im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er rügt, das LG sei rechtsfehlerhaft von einer Verjährung der Ansprüche ausgegangen.
Der Kläger beantragt, das am 13.4.2010 verkündete Urteil des LG Hildesheim abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 452.724,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.8.2009 zu zahlen.
Hilfsweise beantragt er, das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.
Der Streithelfer schließt sich dem Antrag des Klägers an und beantragt hilfsweise, das erstinstanzliche Urteil nebst den ihm zugrunde liegenden Feststellungen und Verfahren aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der bis zur mündlichen Verhandlung am 2.2.2011 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist teilweise insoweit begründet, als das Urteil und das Verfahren des LG entsprechend dem Hilfsantrag gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuheben und an das LG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen sind, soweit er Schadensersatzansprüche wegen Mängeln an den Glaserkern, den Fassadenelementen und den Balkonen i.H.v. 419.224,50 EUR geltend macht (dazu unten 1.). Wegen des Schadensersatzanspruchs i.H.v. 33.500 EUR betreffend die Mängel an den Dachgauben ist die Berufung unbegründet (dazu 2.).
1. Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen Mängeln an den Glaserkern, den Fassadenelementen und den Balkonen ist nicht verjährt.
Das für das Schuldverhältnis maßgebende Recht bestimmt sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
Nach dem Architektenvertrag vom 2.7.1992 war der Beklagte verpflichtet, die Leistungsphasen 1-9 zu erbringen. Der Beklagte hatte mithin auch die Objektbetreuung und Dokumentation, insbesondere das Überwachen der Mängelbeseitigung zu leisten. Die Verjährung beginnt mit der Abnahme des Werks zu laufen.
Eine Teilabnahme von Leistungsphasen ist zwischen den Parteien nicht erfolgt. Soweit in § 6 "Gewährleistungs- und Haftungsdauer" der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheitsarchitektenvertrag (AVA) unter Abs. 6.2 der Beginn der Verjährung spätestens auf die Abnahme der in Leistungsphase 8 zu erbringenden Leistungen festgelegt worden ist, ist die Bestimmung unwirksam (vgl. BGH BauR 2006, 1332).
Abschnitt 6.2 AVA regelt keine Vereinbarung zur Teilabnahme. Die Klausel begründet insbesondere keine Pflicht des Klägers als Auftraggeber zur Teilabnahme. Zweifel am Inhalt der Klausel gehen gemäß dem hier anzuwendenden § 5 AGBG zu Lasten des Beklagten als Verwender des Formulars. Ein durchschnittlich verständiger Bauherr erwartet unter der Überschrift einer Klausel "Gewährleistungs- und Haftungsdauer" keine Vereinbarung ...