Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit fiktiver Gutachterkosten, 'Heraufziehen' des erstinstanzlich anhängigen Teils in das Berufungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegen ein unzulässiges Teilurteil ist die Berufung gegenüber einem nicht verurteilten Gesamtschuldner nicht zulässig, um dadurch die faktisch getrennten Verfahren wieder zusammenzuführen. Hierfür ist der prozessuale Weg des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO eröffnet.

2. Auch nach der ZPO-Novelle ist das Berufungsgericht berechtigt, nach Erlass eines unzulässigen Teilurteils den im ersten Rechtszug anhängigen Teil des Rechtsstreits an sich zu ziehen und darüber mitzuentscheiden.

3. Zur Erstattungsfähigkeit fiktiver Gutachterkosten.

 

Normenkette

BGB § 249; ZPO §§ 511, 538

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 12.02.2008; Aktenzeichen 5 O 185/07)

 

Tenor

1. Die Berufungen der Kläger gegen das am 12.2.2008 verkündete Teilurteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Verden werden hinsichtlich der Beklagten zu 2 als unzulässig verworfen und im Übrigen bezüglich der Beklagten zu 1 zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

2. Die Klage ggü. der Beklagten zu 2 wird abgewiesen.

3. Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Kläger zu 1 und 2 sowie die Drittwiderbeklagte zu 3 als Gesamtschuldner zu 8,5 %, die Klägerin zu 2 allein zu weiteren 16,5 %, der Kläger allein zu weiteren 60 % sowie die Beklagte zu 1 allein zu 15 %.

Die außergerichtlichen Kosten erster Instanz werden wie folgt verteilt:

Die Kosten des Klägers zu 1 trägt die Beklagte zu 1 zu 18 %, der Kläger zu 1 selbst zu 82 %.

Die Kosten der Klägerin zu 2 trägt diese vollständig selbst.

Die Kosten der Drittwiderbeklagten zu 3 trägt diese ebenfalls vollständig selbst.

Die Kosten der Beklagten zu 1 trägt diese zu 15 %, die Klägerin zu 2 zu 16,5 %, der Kläger zu 1 zu 60 % sowie die Kläger zu 1 und 2 und die Drittwiderbeklagte zu 3 als Gesamtschuldner zu 8,5 %.

Die Kosten der Beklagten zu 2 tragen die Klägerin zu 2 zu 18 %, der Kläger zu 1 zu 82 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien machen wechselseitig Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 22.8.2008 in Stuhr/OT Brinkum auf der Bremer Straße in Höhe der Anschlussstelle Brinkum der BAB 1 (an der die Abfahrt von der BAB 1 in die B 6 einmündet) geltend.

Die Klägerin zu 2 befuhr mit dem Pkw des Klägers zu 1, der bei der Drittwiderbeklagten versichert ist, die B 6 in Richtung Syke. Die Beklagte zu 1 und Widerklägerin kam mit ihrem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeug von der BAB 1 und wollte nach links auf die B 6 einbiegen. Dabei kam es unter zwischen den Parteien streitigen Umständen zum Zusammenstoß der beiden Pkw.

Beide Parteien behaupten, die an der Unfallstelle befindliche Lichtzeichenanlage habe für die jeweilige Fahrerin 'grün' gezeigt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Teilurteil des LG vom 12.2.2008 (Bl. 133 ff. d.A.) verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie den abgewiesenen Teil ihrer Klagen (zum Teil) weiterverfolgen, sich hingegen nicht gegen ihre Verurteilung auf die Widerklage wehren.

Mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin zu 2 die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Schmerzensgeld und Ausgleich eines pauschalierten Haushaltsführungsschadens in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte zu 2 nach Erlass des Teilurteils weitere 964,39 EUR gezahlt hat.

Der Kläger zu 1 verfolgt hingegen seine Ansprüche in der ursprünglich in erster Instanz geltend gemachten Höhe in vollem Umfang weiter.

Die Kläger halten den Erlass des Teilurteils für unzulässig, da durch die getrennte Entscheidung hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 2 die Gefahr der Widersprüchlichkeit bestehe. Dabei sei eine Berufung gegen das Teilurteil auch bezüglich der Beklagten zu 2 zulässig, weil nur auf diesem Weg die unzulässige Trennung der Verfahren, durch die sie beschwert würden, beseitigt werden könne.

Sie vertreten die Auffassung, der Rechtsstreit sei zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch ggü. der Beklagten zu 2 rechtshängig und damit entscheidungsreif gewesen; ein etwaiger Zustellungsmangel sei geheilt worden. Jedenfalls sei ein Berufen der Beklagten zu 2 auf einen möglichen Zustellungsmangel treuwidrig, da die Beklagte zu 2 die Klage tatsächlich erhalten habe und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten schon seinerzeit von beiden Beklagten beauftragt gewesen sei.

Die nach Erlass des Teilurteils erfolgte Zahlung der Beklagten zu 2 sei auf die von der Klägerin zu 2 geltend gemachten Forderungen zu verrechnen, denn die Zahlung sei ohne Zahlungsbestimmung an die Klägerin zu 2 erfolgt.

Sie halten ein 'Heraufziehen' des in erster Instanz gegen die Beklagte zu 2 rechtshängigen Teils des Verfahrens durch den Senat für unzulässig. Ein prozesswirtschaftlicher Vorteil sei damit nicht verbunden...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?