Leitsatz (amtlich)
Bei Werken der Baukunst gehen die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werks bei der vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung in der Regel vor. Etwas anderes kann bei der Abwägung zwischen dem Erhaltungsinteresse des Urhebers einer Platzgestaltung und dem Interesse der Gemeinde an einer Umgestaltung des Platzes für eine geänderte Nutzung gelten, solange die Gemeinde weder Planungen für die endgültige Platzgestaltung erstellt hat noch die Planungen für eine beabsichtigte Zwischennutzung - über eine Ideenskizze hinaus - näher konkretisiert wurden.
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungskläger wird das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 11. Dezember 2023 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Verfügungsbeklagte hat es zu unterlassen, den auf dem Andreas-Hermes-Platz in Hannover befindlichen Brunnen (Wasserspiegel) abzureißen oder abreißen zu lassen.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an der Person des Oberbürgermeisters, angedroht.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
Gründe
Die Verfügungskläger (nachfolgend: Kläger) verlangen als Erben des im Jahr 2022 verstorbenen Landschaftsarchitekten Prof. Gustav Lange von der Verfügungsbeklagten (nachfolgend: Beklagte), die angekündigte Beseitigung einer Brunnenanlage zu unterlassen, die Bestandteil einer von Prof. Lange Ende der 1980er Jahre entworfenen und im Jahr 1990 fertig gestellten Gestaltung des Andreas-Hermes-Platzes in Hannover ist.
Weiterer Bestandteil dieser Platzgestaltung war u.a. auch eine leicht gebogene freistehende Wand aus Sandsteinplatten, über die Wasser herablief. Diese "Wasserwand", die den Platz in Richtung Berliner Allee einfasste und abgrenzte, wurde im Zuge eines Hotelneubaus, der mittlerweile auf dem der Berliner Allee zugewandten Teil des Platzes errichtet wurde, entfernt. Zu der von Prof. Lange entworfenen Platzgestaltung gehören außerdem mehrere runde, gestufte Baumeinfassungen entlang der Berliner Allee, die auf dem Platz angeordneten Bäume sowie zwei Steinstelen, die den Beginn eines Plattenweges einfassen, der auf das anliegende Bankgebäude zuläuft und dieses durch eine bauliche Öffnung quert. Schließlich ist auch der Abgang zu der Unterführung der Berliner Allee (damals als Passarellenzugang bezeichnet) Teil der ursprünglichen Platzgestaltung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgelegten Entwurfsplan von Prof. Lange sowie die den ursprünglichen Zustand zeigenden Lichtbilder (Anlagen Ast 2 f., Bl. 14 f. LG-A) Bezug genommen.
Die Beklagte beabsichtigt, den sanierungsbedürftigen und deshalb derzeit nicht mit Wasser gefüllten Brunnen zu beseitigen. Mit Beschlussdrucksache vom 21. August 2023 zum "Rückbau des Zierbrunnens Andreas-Hermes-Platz-Brunnen auf dem Andreas-Hermes-Platz" beantragte die Beklagte beim Bezirksrat Mitte, dem Abriss des Brunnens zuzustimmen (Bl. 139 ff. A-LG). In der Beschlussvorlage wird ausgeführt, die Stadtverwaltung werde in 2024 mit den Planungen für ein neues dauerhaftes Gestaltungs- und Nutzungskonzept des Platzes beginnen und dieses den Ratsgremien vorschlagen, für die Zwischennutzung werde die Projektgruppe der AG bahnhofsnahe Plätze zeitnah Ideen entwickeln (Bl. 104 LG-A). Der Bezirksrat Mitte erteilte die Zustimmung mit Beschluss vom 9. Oktober 2023.
Das Landgericht Hannover hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 11. Dezember 2023 (Bl. 353 ff. LG-A.) zurückgewiesen. Es bestehe kein Unterlassungsanspruch aus § 14 UrhG. Zwar gelte diese Regelung nicht nur für die Veränderung eines urheberrechtlich geschützten Bauwerks, sondern auch für dessen Beseitigung. Im Streitfall überwiege das Urheberinteresse jedoch nicht gegenüber dem Eigentümerinteresse der Verfügungsbeklagten an der Beseitigung des Brunnens. Auf Seiten der Verfügungskläger sei das Urheberrecht als Teil der Eigentumsgarantie zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite genieße die Verfügungsbeklagte jedoch den verfassungsrechtlichen Schutz der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Bei grundstücksgebundenen Werken sei der Interessengegensatz zwischen dem Urheber und dem Eigentümer in aller Regel dahin zu lösen, dass der Eigentümer zur vollständigen Vernichtung des Werks berechtigt sei. Das Urheberrecht könne sich allgemein nur bei einem deutlichen Überwiegen gegenüber den Eigentümerinteressen durchsetzen. Dies sei nicht festzustellen. Die Gestaltungshöhe des Brunnens besitze kein herausragendes Abwägungsgewicht, weil bei einem öffentlichen Brunnen gerade Gebrauchszwecke zentral seien, Professor Lange mit dem Wasserspiegel auf ein bereits bekanntes, in Natur und Stadtgestaltung nicht selten anzutreffendes Grundelement zurückgegriffen habe und ...