Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anscheinsbeweis kann nur durch unstreitige oder bewiesene Tatsachen erschüttert werden.
2. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen einem Überholvorgang unter Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und der anschließenden Kollision mit einem vom Fahrbahnrand anfahrenden und wendenden Fahrzeug ist nur dann zu bejahen, wenn der Unfall bei Beachtung der Verkehrsvorschriften durch den Vorfahrtsberechtigten zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation vermeidbar gewesen wäre.
Normenkette
StVG §§ 7, 17; StVO § 9 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 02.12.2008; Aktenzeichen 2 O 10/07) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2.12.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Das LG hat die auf Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 25.4.2006 in Hannover auf der Beneckeallee gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.
Da das Fahrzeug des Klägers bei der Kollision mit dem Motorrad des Beklagten zu 1 beschädigt wurde, kommt grundsätzlich eine Haftung der Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG bzw. § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 3 PflVG a.F. in Betracht. Der Anspruch des Klägers ist jedoch ausgeschlossen, weil der Unfall ganz überwiegend von ihm verschuldet ist und eine mögliche Haftung der Beklagten aus der Betriebsgefahr des Motorrades des Beklagten zu 1 ggü. der grob fehlerhaften Fahrweise des Klägers zurücktritt (§§ 7, 17 Abs. 1, 2 StVG, § 254 Abs. 1 BGB).
1. Der Kläger nimmt nicht für sich in Anspruch, das Unfallereignis sei für ihn unabwendbar i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG gewesen. Ein besonders sorgfältiger Fahrer hätte sich insbesondere vor dem Einleiten des eigentlichen Wendemanövers nochmals über den rückwärtigen Verkehr vergewissert. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte zu 1 unstreitig erkennbar.
2. Im Ergebnis kann offen bleiben, ob der Verkehrsunfall vom 25.4.2006 für den Beklagten zu 1 unabwendbar war. Nach den - auch vom Kläger nicht angegriffenen - Berechnungen des Sachverständigen M. in seinem Gutachten vom 23.5.2008 war die Kollision für den Beklagten zu 1 zu dem Zeitpunkt nicht mehr zu vermeiden, als er erkennen konnte, dass der Kläger mit seinem Pkw nicht nur vom Fahrbahnrand anfahren, sondern ein Wendemanöver durchführen wollte, wobei der Beklagte zu 1 zu diesem Zeitpunkt mit seinem Motorrad eine Geschwindigkeit von 50 - 55 km/h innehatte.
Ob der den Beklagten obliegende Nachweis der Unabwendbarkeit des Unfalls für den Beklagten zu 1 gleichwohl daran scheitert, dass er zuvor mit einer höheren Geschwindigkeit den Lkw des Zeugen K. überholt hatte und deshalb - wie der Kläger behauptet - für den Kläger erst spät erkennbar war, muss nicht entschieden werden.
3. Wenn sich ein Unfall beim Betrieb beider unfallbeteiligter Fahrzeuge ereignet und keiner Seite der Beweis der Unabwendbarkeit gelingt, richtet sich der Umfang der beiderseitigen Schadensersatzpflicht gem. § 17 Abs. 1, 2, § 18 StVG nach den Umständen, insbesondere danach, ob der Schaden vorwiegend von der einen oder anderen Partei verursacht worden ist.
Diese Abwägung führt unabhängig davon, ob die Kollision für den Beklagten zu 1 unabwendbar war, zur alleinigen Haftung des Klägers:
a) Gegen den Kläger spricht der Anscheinsbeweis, gegen die erhöhte Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 5 StVO verstoßen zu haben, weil er ein Wendemanöver durchgeführt hat (vgl. BGH DAR 1985, 989 - juris Rz. 11; KG NZV 2007, 306 - juris Rz. 5; OLG Düsseldorf, Schaden-Praxis 2000, 408 f.). Dabei hätte er sich so verhalten müssen, dass die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war.
Diesen Beweis des ersten Anscheins hat der Kläger nicht zu entkräften vermocht. Zwar muss eine Partei zur Erschütterung eines Anscheinsbeweises nur die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs darlegen und hierfür nicht den Vollbeweis erbringen. Der Anscheinsbeweis kann indes nur durch feststehende, d.h. unstreitige oder bewiesene Tatsachen entkräftet werden (BGH VersR 1964, 639; BGH DAR 1985, 989 - juris Rz. 11; BGH VersR 2006, 931 ff. - juris Rz. 18).
Dem Kläger ist jedoch der Nachweis der seiner Behauptung zugrunde liegenden Tatsachen nicht gelungen, der Beklagte zu 1 sei zunächst für ihn (den Kläger) noch nicht zu erkennen gewesen, weil er (der Beklagte zu 1) noch durch den überholten Lkw des Zeugen K. verdeckt gewesen sei und dieser, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durchgeführte, Überholvorgang noch nicht beendet gewesen sei, als er (der Kläger) ordnungsgemäß Rückschau gehalten habe.
Zwar hat der Zeuge K. bekundet, der Beklagte zu 1 habe sein Überholmanöver, das die Beklagten in erster Instanz in der mündlichen Verhandlung vom 21.9.2007 als solches zugestanden haben (Bl. 65 d.A.), in Höhe der Fußgängerampel vor der Einmündung der Straße Klaskamp durchgeführt. Der Abstand des K...