Leitsatz (amtlich)
Die Beachtung von Lärmwerten erfordert in der Regel die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Überdies hat sich der Tatrichter grundsätzlich einen persönlichen Eindruck durch die Durchführung eines Ortstermins zu verschaffen.
Normenkette
BGB §§ 1004, 906; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 18.11.2009; Aktenzeichen 7 O 162/09) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.11.2009 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Verden wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verfolgt mit ihrem Antrag das Ziel, den Beklagten zu untersagen, außerhalb sakraler Gottesdienste Musik in einer wahrnehmbaren Lautstärke zu spielen.
Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine wesentliche Beeinträchtigung sei nicht gegeben. Dies ergebe sich aus der von den Beklagten vorgelegten Schallpegelmessung des Herrn P. vom 3.3.2009. Es könne auch nicht wegen der besonderen Lage des Grundstücks der Klägerin eine wesentliche Beeinträchtigung festgestellt werden. Bei der vorzunehmenden Abwägung streite für die Interessen der Beklagten die Religionsfreiheit, die Weiterentwicklung des religiösen und gesellschaftlichen Lebens sowie die von dem Dom ausgehende und im Dom geübte ortsübliche Nutzung.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie führt aus, dass sich gegenüber früheren Jahren Veränderungen ergeben hätten. Die Kirche werde zunehmend nicht nur für Gottesdienste, sondern auch für Aufführungen und Orgelunterrichte benutzt. Es fehle eine Auseinandersetzung mit dem zeitlichen Umfang der Beeinträchtigung und der veränderten Nutzung des Doms. Im Dom werde nicht nur bloß religiös motivierte Musik gespielt. Das LG habe übersehen, dass die Klägerin das von den Beklagten vorgelegte Parteigutachten des Herrn P. bestritten habe; im Übrigen hätte das LG einen Ortstermin durchführen müssen. Eine Abwägung mit dem zugunsten der Klägerin streitenden Art. 14 GG sei nicht vorgenommen worden. Im Übrigen habe das LG die Ortsüblichkeit falsch beurteilt.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 18.11.2009 verkündeten und am 23.11.2009 ihrem Prozessbevollmächtigten zugestellten Urteil des LG Verden, Az.: 7 O 162/09, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, außerhalb der sakralen Gottesdienste Musik in einer außerhalb des Doms nebst Nebengebäuden (Flurstück ... der Flur ... der Gemarkung V.) auf dem Grundstück ..., V. (Flurstück ... der Flur ... der Gemarkung V.) wahrnehmbaren Lautstärke zu spielen.
Die Beklagten zu 1 und 2 stellen den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 10.5.2010 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, gemäß Beschluss vom 15.2.2011 durch dessen schriftliche Erläuterung sowie gemäß Beschluss vom 21.3.2011 durch einen Ortstermin am 26.5.2011 in Anwesenheit des Sachverständigen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Die Beklagten haben bewiesen, dass die vom Orgelspiel ausgehende Lautstärke sich innerhalb der Richtwerte befindet; hingegen hat die Klägerin nicht bewiesen, dass es sich um eine wesentliche Beeinträchtigung handelt.
1. Die Klage ist mit dem gestellten Antrag zulässig. Die klagende Partei hat nach der Rechtsprechung des BGH in Lärmschutzsachen in aller Regel keinen Anspruch auf bestimmte Maßnahmen zur Geräuschdämmung. Vielmehr ist es der Entscheidung des Einwirkenden überlassen, auf welche Weise er unzuträglichen Lärm vermeiden will. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin ihren Klagantrag auf Unterlassung von Lärm bestimmter Lautstärke gerichtet hat. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen - Verlagerung des Streits über die Wesentlichkeit einer Emission in das Vollstreckungsverfahren - hat der BGH gesehen und als unvermeidlich hingenommen (BGH NJW 1993, 1656 [1657]).
2. Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch aus den §§ 1004, 906 BGB zu.
a) Ein Anspruch der Klägerin im Umfang des gestellten Antrages auf Unterlassung von Musikspiel in einer außerhalb des Doms wahrnehmbaren Lautstärke besteht schon von vornherein nicht. Die Klägerin hat gewisse, sozialadäquate Geräusche hinzunehmen, auch solche, die aufgrund eines Orgelspiels im Dom entstehen. Die Duldungspflicht gilt aber nicht für Geräusche, die über eine bestimmte Stärke und Häufigkeit hinausgehen, also entweder außerhalb der festgesetzten Normen liegen oder aber trotz deren Einhaltung als unerträglich einzustufen sind.
b) Ein Anspruch der Klägerin besteht aber auch nicht bzgl. solcher Geräuscheinwirkungen, weil sie eine unerträgliche Immission nicht bewiesen hat...