Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsausschluss in der Berufsunfähigkeitsversicherung wegen Straftat
Leitsatz (amtlich)
1. Der Leistungsausschluss nach § 3 Abs. 2 Ziff. b) BB-BUZ (Verursachung der Berufsunfähigkeit durch vorsätzliche Ausführung einer Straftat durch die versicherte Person) setzt voraus, dass der dem Delikt eigentümliche Gefahrenbereich für den Schaden verantwortlich geworden ist. Daran fehlt es bei einem Betrug des Versicherungsnehmers in seiner Eigenschaft als Versicherungsmakler/-agent ggü. anderen zum Konzern des Versicherers gehörenden Unternehmen, wenn bei diesem infolge der Begehung der Straftaten und ihrer Ahndung (u.a. Untersuchungshaft) sowie den damit verbundenen familiären und sozialen Folgen eine zur Berufsunfähigkeit führende Depression eintritt.
2. In diesem Fall kommt auch kein Ausschluss des Anspruchs des Versicherungsnehmers nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Betracht.
Normenkette
BB-BUZ § 3; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 17.02.2005; Aktenzeichen 19 O 112/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.2.2005 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Zeitraum vom 1.9.2002 bis zum 19.2.2003 und vom 21.2.2005 bis zur Beendigung der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 1.12.2025, von der Beitragspflicht vom Versicherungsvertrag Nr. ... zu befreien.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.428,09 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 4.435,85 EUR seit dem 2.9.2002 und auf weitere 3.992,24 EUR seit dem 2.12.2002 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 21.2.2005 vierteljährlich 4.435,85 EUR bis zur Beendigung der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 30.11.2020, zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 40 % und die Beklagte 60 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend. Zum 1.12.1988 schloss er bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die am 1.12.2020 endet, ab. Gemäß Nachtrag vom 31.10.2001 beläuft sich die Barrente ab 1.12.2001 auf jährlich 34.703 DM und ist im Versicherungsfall vierteljährlich zu zahlen (Bl. 25 d.A.). Der monatliche Beitrag für die Lebens- und die Berufsunfähigkeitsversicherung betrug 578,90 DM. Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. die "Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (97A)" (BB-BUZ) zugrunde. Diese enthalten in § 3 Abs. 2 Ziff. b) folgende Regelung:
"Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, leisten wir jedoch nicht, wenn die Berufsunfähigkeit verursacht ist durch vorsätzliche Ausführung oder den strafbaren Versuch eines Verbrechens oder Vergehens durch die versicherte Person."
Der Kläger, gelernter Büro- und Versicherungskaufmann, war zunächst von 1982-1996 als Generalvertreter der A. und gem. Vertrag vom 20.2.1997 (Bl. 224-226 d.A.) als Generalagent der M. Versicherungs-Gesellschaft tätig. Diese kündigte den Agenturvertrag am 30.3.2001 wegen verschiedener Unregelmäßigkeiten in mehreren Schadensfällen (Bl. 43 d.A.). Seitdem arbeitete der Kläger als selbständiger Versicherungsmakler.
Wegen Verdachts des Versicherungsbetruges und der Urkundenfälschung wurde der Kläger am 28.11.2001 vorläufig festgenommen. Vom 18.2.2002 bis zum 26.7.2002 befand er sich in Untersuchungshaft. Durch seit dem 20.3.2003 rechtskräftiges Urteil des AG R. wurde er wegen Betrugs in 20 Fällen, des versuchten Betrugs in vier Fällen und der Urkundenfälschung in drei Fällen, teilweise begangen zum Nachteil der Mecklenburgischen Versicherungsgesellschaft, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren mit Bewährung verurteilt. Außerdem wurde ihm für die Dauer von 2 Jahren untersagt, selbständig oder in abhängiger Stellung als Versicherungsmakler tätig zu sein.
Am 13.8.2002 stellte der Kläger wegen Depressionen einen Leistungsantrag bei der Beklagten (Bl. 39-42 d.A.). Bereits während der Untersuchungshaft war von dem Hausarzt des Klägers Dr. L. am 18.2.2002 eine depressive Erkrankung diagnostiziert worden (Attest v. 29.10.2002, Bl. 27-29 d.A.). In einem weiteren Bericht des Psychiaters Dr. Z. vom 8.10.2002 heißt es, bei dem Kläger bestehe eine schwere psychische Beeinträchtigung mit völlig eingeschränkter psychischer Belastbarkeit (Bl. 30 f. d.A.). In einem Gutachten des Psychiaters Dr. P. vom 16.9.2002 wird eine Depression, ausgelöst durch Eheprobleme, ohne wesentliche Einschränkungen der Leistungsfähigkeit festgestellt (Bl. 44-46 d.A.)....