Leitsatz (amtlich)
Zur Abwägung bei Verursachung eines Verkehrsunfalls bei Abbiegen von einer Bundesstraße auf ein Grundstück und eines in diesem Moment überholenden Motorrads.
Normenkette
StVG §§ 7, 17; StVO §§ 5, 9
Verfahrensgang
LG Stade (Aktenzeichen 3 O 33/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und der Drittwiderbeklagten wird das am 27.3.2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Stade unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage werden der Kläger und die Drittwiderbeklagte verurteilt, als Gesamtschuldner an den Beklagten zu 1) 3.798,58 EUR (7.429,37 DM) nebst 4 % Zinsen auf 7.429,37 DM für die Zeit vom 24.6.2000 bis zum 9.11.2000, 14,25 % Zinsen auf 7.429,37 DM für die Zeit vom 10.11.2000 bis zum 30.11.2001, 13,75 % Zinsen auf 7.429,37 DM für die Zeit vom 1.12.2001 bis zum 31.12.2001 und 13,75 % Zinsen auf 3.798,58 EUR ab dem 1.1.2002 abzüglich am 30.1.2001 gezahlter 2.957,96 DM zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten der ersten Instanz tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 31 %, der Kläger weitere 27 % und der Beklagte zu 1) 42 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in erster Instanz tragen der Kläger selbst 58 % und der Beklagte zu 1) 42 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) in erster Instanz tragen der Beklagte zu 1) selbst 42 % und der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 31 % sowie der Kläger weitere 27 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger. Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten in erster Instanz tragen die Drittwiderbeklagte selbst 43 % und der Beklagte zu 1) 57 %.
Von den Gerichtskosten der zweiten Instanz tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 38 % sowie der Beklagte zu 1) 62 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in zweiter Instanz tragen der Kläger selbst 38 % und der Beklagte zu 1) 62 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) in zweiter Instanz tragen der Beklagte zu 1) selbst 62 % sowie der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 38 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten in zweiter Instanz tragen die Drittwiderbeklagte selbst 38 % und der Beklagte zu 1) 62 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer übersteigt für keine Partei 20.000 EUR.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F., § 26 Nr. 5 EGZPO abgesehen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers und der Drittwiderbeklagten hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme teilweise Erfolg. Das angefochtene Urteil war unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie geschehen dahin abzuändern, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte auf die Widerklageforderung nur 3.798,58 EUR (7.429,37 DM) als Gesamtschuldner nebst Zinsen zahlen müssen. Sie haften gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, §§ 1, 3 Nr. 1 PflVG nach einer Quote von 50 % für die Folgen des Verkehrsunfalles vom 24.6.2000 gegen 15:33 h auf der … Landstraße in der Gemarkung …. Wegen der weitergehenden Forderung ist die Widerklage unbegründet und war teilweise abzuweisen.
Nach der Einholung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. … vom 20.6.2002 steht fest, dass den Beklagten zu 1) ein Verschulden am Zustandekommen des oben genannten Verkehrsunfalles trifft. Er hat gegen seine doppelte Rückschaupflicht gem. § 9 Abs. 1 S. 4 StVO und seine besondere Sorgfaltspflichten gem. § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Als Abbiegender in eine Grundstückseinfahrt musste der Beklagte zu 1) jede Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausschließen. Nur wenn dies gewährleistet gewesen wäre, hätte er auf die zweite Rückschaupflicht verzichten dürfen. Den so genannten toten Winkel hatte er zu berücksichtigen (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 9 StVO Rz. 24; OLG Köln NZV 1995, 7). Er musste sich vergewissern, dass die nachfolgenden Verkehrsteilnehmer sein Richtungszeigen verstanden hatten (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 9 StVO Rz. 48). Auf ein erkennbares Überholmanöver hätte der Beklagte zu 1) mit einem Warten reagieren müssen (vgl. OLG Köln VRS 1989, 432; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 9 StVO Rz. 26, 48). All diese Sorgfaltspflichten hat der Beklagte zu 1) missachtet.
Dies alles folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. …, der überzeugend und nachvollziehbar erläutert hat, dass der Kläger seinen Überholvorgang bereits 100m hinter dem Beklagten zu 1) begonnen hatte. Dieses Überholmanöver sei für den Beklagten zu 1) erkennbar gewesen. Als sich der Beklagte zu 1) noch in Parallelfahrt zur Mittellinie befunden habe, ca. zwei Sekunden vor der Kollision, habe er den Kläger hinter sich sehen können. Vermutlich habe sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch auf der rechten Fahrspur hinter...