Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinserteilung. Erbscheinsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB findet auf den Erbfall, wenn die Erblasserin vor dem Wirksamwerden des Beitritts gestorben ist, das Recht des ZGB Anwendung.

Für die Auslegung von letztwilligen Verfügungen sind daher die Vorschriften der §§ 372 ff. ZGB maßgeblich. Danach ist ein Testament so auszulegen, dass es dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht.

2. Ein Auslegungskriterium kann dabei sein, ob der Erblasser den Nachlass als Ganzes verteilt oder nur einzelne Vermögensgegenstände zugewandt hat (§ 375 Abs. 2 ZGB, der dem § 2087 Abs. 2 BGB entspricht). Die Rechtsprechung zur Zeit der Geltung des ZGB legte dabei im Grundsatz dieselben Kriterien an, wie sie im BGB geregelt waren.

 

Normenkette

ZGB DDR § 372; EGBGB Art. 235 § 1; BGB § 2084

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Beschluss vom 28.09.1998; Aktenzeichen 13 T 5226/98)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) wird der Beschluss des Landgerichts Dresden, 2. Zivilkammer, vom 28.09.1998 – Az: 13 T 5226/98 – aufgehoben.

2. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten der weiteren Beschwerde – an das Landgericht Dresden, 2. Zivilkammer, zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Auslegung eines Testamentes vom 30.04.1985.

Am 17.01.1988 verstarb Frau R … geb. G … (im Folgenden: Erblasserin).

Sie war verwitwet und kinderlos. Gesetzliche Erben sind die frühere Beteiligte zu 1) und die Beteiligten zu 2) und 5) (Abkömmlingen des vorverstorbenen Bruders K …) und die Beteiligten zu 3) und 4) (Abkömmlinge des vorverstorbenen Bruders U …).

Am 30.04.1985 errichtete die Erblasserin ein aus zwei Seiten bestehendes Testament, in dem sie auf der ersten Seite Geldbeträge zwischen 15.000,00 und 5.000,00 M/DDR an 9 Personen bzw. den Friedhof Loschwitz verteilte, insgesamt 85.000,00 M. Es heißt in dem Testament dann weiter auf Seite 2: „Nichte I … geb. G … und Nichte E … G … erhalten je 1/8 von der Erbengemeinschaft in Dresden. Ich hoffe, daß ich im Sinne meines verstorbenen Mannes gehandelt habe.” Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Testament (Bl. 3 dA) Bezug genommen.

Die Erblasserin war im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes Miteigentümerin eines Grundstückes in S …, A … Straße 55, mit einer Größe von ca. 6.000 m² (Kaufpreis im Zeitpunkt der Veräußerung am 24.03.1991 1,8 Mio DM). Bei Verteilung des Erlöses wurde einverständlich der Beteiligte zu 3) nicht beteiligt. Die Entwicklung der Beteiligung der Erblasserin am Grundstück war dabei folgende: Am 18.02.1942 war die Erblasserin zusammen mit Dr. Walter K …, H … K … G … und J … U … G … zufolge Auflassung zu je 1/4 als Miteigentümer des Grundstückes eingetragen worden. Am 19.04.1958 wurde eingetragen, dass der Grundstücksanteil des Miteigentümers Dr. Walter K … an die übrigen Miteigentümer aufgelassen worden war. Die Erblasserin war mithin von diesem Zeitpunkt an Miteigentümerin zu je 1/3. Der Miteigentumsanteil des Bruders der Erblasserin, K … G …, ist an die frühere Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 2), seine Töchter, im Wege des Erbganges gelangt, der Miteigentumsanteil des Miteigentümers U … G … an seine Witwe M … G …. Das Grundstück wurde bereits im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes von der Beteiligten zu 2) verwaltet.

Ferner verfügte die Erblasserin über Hausrat, deren Umfang der Beteiligte zu 4) als erheblich und wertvoll bezeichnet und mit ca. DM 80.000,00 bis 100.000,00 DM angibt.

Darüber hinaus verfügte die Erblasserin über Sparguthaben.

Nach Auskunft der Sparkasse Pirna-Sebnitz wies das Girokonto der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes einen Bestand von 786,07 M/DDR aus.

Am 29.02.1988 erschienen die Beteiligten zu 1), 2) und 3) bei dem Staatlichen Notariat in Neustadt/Sachsen und beantragten einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erfolge unter Vorlage des Testamentes, aber ohne nähere Begründung, wobei sie die in der BRD wohnhaften gesetzlichen Erben, die Beteiligten zu 3) und 5), verschwiegen. Der Erbschein wurde ihnen antragsgemäß erteilt.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) veräußerten am 24.03.1991 das zum Nachlass gehörende Grundstück zu einem Kaufpreis 1,8 Mio DM, wobei der Erlös einverständlich nur an die Beteiligten zu 1) und 2) fiel.

Mit Schreiben seines früheren Prozessbevollmächtigten (Rechtsanwalt und Notar Morgenstern) vom 22.08.1996 wies der Beteiligte zu 4) darauf hin, dass er als gesetzlicher Erbe der Erblasserin und zusätzlich auch die Beteiligte zu 5) vorhanden sei. Er vertrat die Ansicht, das Testament enthalte im Übrigen nur Vermächtnisse.

Mit Antrag vom 07.11.1996 beantragte der Beteiligte zu 4) die Einziehung des Erbscheines vom 21.03.1988 und Erteilung eines Erbscheines aufgrund gesetzlicher Erbfolge zugunsten aller fünf Berechtigter.

Mit Beschluss vom 31.03.1998 zog das Nachlassgericht den Erbschein ein.

Gegen die beantragte Neuerteilung aufgrund gesetzlicher Erbfolge unter Berücksichtigung aller fünf g...

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