Leitsatz (amtlich)
1. Ausführungen zur Bindefrist im Rahmen einer Widerspruchsbelehrung machen diese auch dann nicht unwirksam, wenn der Vertrag im Policenmodell geschlossen werden soll.
2. Die Formulierung, die Widerspruchsfrist beginne "nach Erhalt" der maßgelblichen Unterlagen, vermittelt keinen unzutreffenden Eindruck über den Lauf der Frist und führt daher nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 395/20) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 9.091,37 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht hat das Landgericht die Kläger abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 BGB, § 5 a VVG a. F. auf Rückabwicklung des zum 04.05.2000 policierten Rentenversicherungsvertrages mit Todesfallschutz zu. Der mit Anwaltsschreiben vom 21.05.2019 erklärte Widerspruch der Klägerin ist verfristet und damit nicht wirksam. Da die Klägerin ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt wurde, war die Frist mit Ablauf von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheines abgelaufen. Hierzu wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.
Die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine andere Entscheidung.
1. Die Widerspruchsbelehrung ist drucktechnisch hinreichend hervorgehoben. Mit der Berufung macht die Klägerin lediglich geltend, die Belehrung gehe in den Gesamtunterlagen "unter". Die Klägerin hätte sie selbst dann nicht gefunden, wenn sie nach dieser gesucht hätte. Mit diesem Argument dringt sie nicht durch. Eine Widerspruchsbelehrung muss so hervorgehoben sein, dass ein durchschnittlich aufmerksamer Leser diese hinreichend deutlich wahrnimmt. Vorliegend befindet sich die fettgedruckte Widerspruchsbelehrung auf Seite 1 des Versicherungsscheines, dort am Ende und ist obendrein, wie das Landgericht zutreffend ausführt, der einzige fettgedruckte Absatz. Bei dieser optischen Gestaltung erscheint es ausgeschlossen, dass ein durchschnittlicher Rezipient die Belehrung nicht wahrnimmt.
2. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe eigentlich den Vertrag im Antragsmodell abschließen wollen aber statt dessen fehlerhaft nach dem sogenannten Policen-Modell belehrt, findet im Akteninhalt keine Stütze. Vielmehr weist die Art der Widerspruchsbelehrung eindeutig auf eine Absicht der Beklagten für einen Abschluss im Policen-Modell hin, denn beim Antragsmodell hätte die Klägerin nicht über ihr Widerspruchs-, sondern über ihr Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG a. F. belehrt werden müssen. Dies ist ersichtlich nicht erfolgt. Soweit in den Schlusserklärungen im Anhang auf den Versicherungsantrag Ausführungen zur Bindefrist gemacht werden, wird darin nur klargestellt, dass eine solche Bindefrist gerade nicht besteht. Ein solcher Hinweis ist auch nicht geeignet, beim Versicherungsnehmer eine irgendwie geartete Verwirrung hervorzurufen oder ihn anderweitig von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuhalten (vgl. für den umgekehrten Fall einer Widerspruchsbelehrung beim Antragsmodell: OLG München, Urteil vom 07.09.2020 - 21 U 1983/20 Rz. 27, nach juris).
3. Soweit die Klägerin die Formulierung "nach Erhalt des Versicherungsscheines" in den Verbraucherinformationen zur Bindefrist (Anlage B1, S. 4) beanstandet, gilt hierzu das Gleiche, wie zur Formulierung "nach Erhalt des Versicherungsscheines ..." bei der Widerspruchsbelehrung an sich. Hier wie dort ist die Formulierung "nach Erhalt" hinreichend deutlich, um dem durchschnittlichen Empfänger der Unterlagen den Fristlauf rechtssicher vor Augen zu führen. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil, dort S. 5 zweiter Absatz verwiesen.
4. In der Widerspruchsbelehrung selbst kann diese Formulierung auch nicht den unzutreffenden Eindruck vermitteln, der Tag des Zugangs des Versicherungsscheines, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation zähle entgegen § 187 Abs. 1 BGB mit. Ohne dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer diese Vorschrift und die damit korrespondierende Bestimmung des § 188 Abs. 1 BGB kennen muss, wird er nach seinem maßgeblichen Empfängerhorizont die Belehrung so verstehen, dass die Frist durch...