Leitsatz (amtlich)
Die Besorgnis der Befangenheit eines medizinischen Sachverständigen folgt nicht daraus, dass dieser nicht von sich aus mitteilt, dass er nicht mehr als Arzt tätig ist. Hieraus ggf. resultierende Bedenken gegen den Inhalt des Gutachtens sind im Instanzenzug geltend zu machen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 2895/17) |
Tenor
1. Die sofortigen Beschwerden des Klägers gegen die Beschlüsse des Landgerichts Leipzig vom 22.3 und 9.5.2023 werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 145.181,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten im Wege der Rechtsnachfolge und Abtretung auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht gestützt auf die Behauptung, bei der Behandlung seiner am 20.6.2017 verstorbenen Ehefrau seien den Beklagten in unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen Behandlungsfehler unterlaufen, die zu einem langjährigen Siechtum der Patientin und zahlreichen weiteren Untersuchungen und Behandlungen bis zu ihrem Tod geführt hätten, die bei behandlungsfehlerfreiem Vorgehen hätten vermieden werden können. Das Landgericht hat nach Einholung verschiedener viszeralchirurgischer und gynäkologischer Gutachten mit Beschluss vom 6.7.2020 die Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Pathologie angeordnet. Nachfolgend wurde die Sachverständigenbeauftragung insgesamt fünfmal geändert und mit Beschluss vom 11.1.2023 der Sachverständige Prof. S... zum Gutachter bestellt. Einen Befangenheitsantrag des Klägers gegen diesen lehnte die Kammer mit Beschluss vom 22.2.2022 durch die Richter F..., H... und M... ab (Bl. 1276 d.A.), der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Klägers vom 13.3.2023 (Bl. 1294) half sie nicht ab und wies zugleich den weiteren Befangenheitsantrag des Klägers vom 9.3.2023 (Bl. 1279 d.A.) konkludent zurück (Beschluss vom 15.3.2022, Bl. 1340f. d.A.). Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen sei nicht deswegen gerechtfertigt, weil dieser nicht mehr für die S... MVZ Pathologie M... GmbH zeichnungsberechtigt sei. Eine Anhörung des Sachverständigen sei nicht geboten gewesen, weil der Beschwerdeführer keine Tatsachen vorgebracht habe, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten. Dieser Beschluss ist mit Verfügung vom 23.5.2023 an das Beschwerdegericht weitergeleitet worden.
Unter dem 7.4.2023 stellte der Kläger selbst einen weiteren Antrag, den Sachverständigen Prof. S... wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (Bl. 1382ff. d.A.). Diesen Antrag lehnte das Landgericht in der Richterbesetzung F... - T... - M... mit Beschluss vom 9.5.2023 ab (Bl. 1391 d.A.). Misstrauen gegen die Sachkunde des Gutachters stelle noch keinen tauglichen Befangenheitsgrund dar. Dass der im Ruhestand befindliche Sachverständige mit dem Gericht unter dem Briefkopf des medizinischen Versorgungszentrums T... korrespondiere, sei nicht ungewöhnlich und ebenfalls nicht geeignet, Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu begründen. Gegen diesen seinen Prozessbevollmächtigten am 15.5.2023 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit in weiten Teilen gleichlautenden Schriftsätzen seiner verschiedenen Prozessbevollmächtigten vom 26.5. und 1.6. 2023 sofortige Beschwerde direkt zum Oberlandesgericht erhoben.
Er ist der Auffassung, die Beschlüsse vom 22.2. und 9.5.2023 seien schon deswegen rechtswidrig, weil das Landgericht versäumt habe, den Sachverständigen zu den geltend gemachten Befangenheitsgründen mündlich anzuhören. Ein Befangenheitsgrund sei hier entgegen der Auffassung des Landgerichts darin zu sehen, dass der Sachverständige durch die Verwendung eines "alten Schriftstückes des Medizinischen Versorgungszentrums T... GmbH mit der Datierung "T..., 28.9.2022" "gegenüber dem Kläger habe den Anschein erwecken wollen, er befinde sich nicht im Ruhestand; durch diese Täuschungshandlung sei sein Vertrauen in eine eigenverantwortliche Erstattung des Gutachtens nachhaltig erschüttert. Das Schreiben des Sachverständigen lege überdies die Vermutung nahe, dass es gar nicht von ihm, sondern von einer anderen, beim MVZ T... beschäftigten Person stamme. Die Entscheidung des Landgerichts, ohne Anhörung der Parteien einen im Ruhestand befindlichen Sachverständigen zu beauftragen, sei überdies fehlerhaft, weil hierdurch nicht sichergestellt sei, dass der Sachverständige über die erforderliche Sachkunde verfüge. Insgesamt verletze die materielle Prozessführung des Landgerichts seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, was jedenfalls die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertige. Schließlich bestünden auch Zweifel an der Wirksamkeit der Beschlüsse vom 22.2. und 9.5.2023, weil die Unterschriften der Richter keine individualisierbaren Züge aufwiesen.
II. Die Beschwerden des Klägers gegen die Beschlüsse des Landgerichts vom 22.2. und 9.5.2023 sind zulässig, insbesondere innerhalb der Beschwerdefrist des § 569 ZPO erhoben. Dass die Beschwerde ...