Leitsatz (amtlich)

Die dienstliche Stellungnahme in einem Ablehnungsgesuch dient nicht der Ausforschung der Motivlage des abgelehnten Richters. Wird in einem Befangenheitsgesuch die Behauptung aufgestellt, der Richter habe sich bei einer Entscheidung vorrangig von dem Wunsch leiten lassen, sich einer Auseinandersetzung mit dem Parteivorbringen zu entziehen, muss dessen Stellungnahme daher hierauf nicht eingehen.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 2895/17)

 

Tenor

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 31.07.2023 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten im Wege der Rechtsnachfolge und Abtretung wegen einer behaupteten fehlerhaften ärztlichen Behandlung seiner verstorbenen Ehefrau in Anspruch.

Die gegen die Bestellung eines Sachverständigen gerichteten Befangenheitsgesuche des Klägers hat das Landgericht mit Beschlüssen vom 22.02. und 09.05.2023 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortigen Beschwerden hat das Oberlandesgericht in der Besetzung VRiOLG S..., RiinOLG P... und RiinOLG W... mit Beschluss vom 05.06.2023 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.06.2023 Anhörungsrüge erhoben und zugleich die an dem Beschluss vom 05.06.2023 mitwirkenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Nachdem die dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter S..., P... und W... zum Befangenheitsgesuch an den Kläger zur Kenntnisnahme weitergeleitet worden sind, hat er - gestützt auf die jeweiligen Stellungnahmen - die Richter mit Schriftsätzen vom 18.07.2023 wegen Befangenheit abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat die Befangenheitsanträge mit Beschluss vom 31.07.2023 abgelehnt. Dagegen hat der Kläger Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO erhoben.

II. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Anspruch des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör ist durch den Senatsbeschluss vom 31.07.2023 nicht verletzt.

1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen. Die Verfahrensgarantie des Art. 103 Abs. 1 GG ist erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt erst in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1584 f. [juris Rn. 14] mwN; FamRZ 2013, 1953 Rn. 14).

2. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in seinem Beschluss vom 31.07.2023 bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht verletzt.

a) Hinsichtlich mit Schriftsatz vom 14.06.2023 vorgetragenen Ablehnungsgründe verbleibt es bei den Ausführungen in dem Beschluss vom 31.07.2023, dessen Gründe sich auch zu dem Vorwurf des Klägers verhalten, die abgelehnten Richter hätten den Sachverhalt fehlerhaft bzw. falsch dargestellt (vgl. Ausführungen unter II. 1 a)). Der Senat konnte eine solche fehlerhafte oder falsche Sachverhaltsdarstellung in dem Beschluss vom 05.06.2023 jedoch nicht erkennen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Sachverhaltsdarstellung für eine verständige Partei nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet.

Dabei ist der Senat auch auf das Vorbringen des Klägers eingegangen, die abgelehnten Richter hätten bei der Entscheidung über das gegen den Sachverständigen gerichtete Ablehnungsgesuch die "gerichtskundige Tatsache" nicht berücksichtigt, dass sich der Sachverständige im Ruhestand befinden würde, gleichwohl aber unter dem Briefkopf des MVZ kommuniziert habe. Wie den Gründen des Beschlusses vom 05.06.2023 zu entnehmen ist, haben die abgelehnten Richter - nach Aktenlage zutreffend - ausgeführt, das Landgericht habe sich bei seiner Annahme, der Sachverständige sei im Ruhestand, gerade nicht auf einen entsprechenden Vortrag des Klägers stützen dürfen. Aus dem Akteninhalt und dem Internetauftritt würden sich vielmehr keine Anhaltspunkte für einen Ruhestand des Sachverständigen ergeben, so dass unbekannt sei, ob und in welchem Umfang der Sachverständige heute noch beruflich tätig wäre. Mit dieser Begründung haben die abgelehnten Richter zugleich die vom Kläger vertretene Auffassung verneint, der Ruhestand des Sachverständigen sei eine allgemein oder dem Landgericht aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannte, "gerichtskundige Tatsache" im Sinne des § 291 ZPO.

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass im Rahmen der vorliegenden Gehörsrüge zum Bes...

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