Leitsatz (amtlich)
Der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2b ZPO ("Kinderfreibetrag") steht bei einem minderjährigen Kind, das im paritätischen Wechselmodell abwechselnd in den Haushalten beider Eltern betreut wird, jedem Elternteil in voller Höhe zu.
Verfahrensgang
AG Chemnitz (Beschluss vom 08.01.2015; Aktenzeichen 3 F 1590/14) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatskasse vom 16.1.2015 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Chemnitz vom 8.1.2015 - 3 F 1590/14 - wird zurückgewiesen.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht dem Antragsgegner ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für ein Kindschaftsverfahren bewilligt. Die dagegen in zulässiger Weise erhobene sofortige Beschwerde der Staatskasse macht demgegenüber geltend, es müssten Raten zu Lasten des Antragsgegners festgesetzt werden. Dem vermag sich der Senat im Ergebnis nicht anzuschließen.
Aus der vorliegenden Lohnabrechnung für Dezember 2014, die das Jahreseinkommen erkennen lässt, ergibt sich ein monatliches Durchschnittseinkommen des Antragsgegners von 1.853,78 EUR netto, welches unter Einbeziehung der 2014 gezahlten Einkommensteuererstattung auf rund 1.875 EUR monatlich steigt. Dem stehen allerdings Aufwendungen und Freibeträge in etwa gleicher Höhe gegenüber, so dass dem Antragsgegner kein für Verfahrenskosten einsetzbares Einkommen verbleibt.
Abziehbar sind unstreitig monatlich 462 EUR persönlicher Freibetrag und 210 EUR Erwerbstätigenfreibetrag. Hinzu kommen Unterhaltsfreibeträge für M. i.H.v. 84 EUR (268 EUR - 184 EUR Kindergeld), für L. i.H.v. 306 EUR und für C. i.H.v. 180 EUR monatlich. Für M. ist auf den Freibetrag bedarfsdeckend das Kindergeld - unabhängig davon, an welchen Elternteil als Zahlstelle es ausgezahlt wird - anzurechnen. Für L. steht dem Antragsgegner der volle Freibetrag zu, obwohl das Kind im paritätischen Wechselmodell abwechselnd von seiner Mutter und vom Antragsgegner betreut wird, also nur "die halbe Zeit" im Haushalt des Antragsgegners lebt. Denn auch bei einem Kind, das im gemeinsamen Haushalt seiner Eltern lebt, die beide über Erwerbseinkommen verfügen, also grundsätzlich auch beide anteilig dem Kind betreuungs- und barunterhaltspflichtig sind, kann jeder Elternteil aufgrund der gesetzlichen Pauschalierung den vollen Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2b ZPO in Anspruch nehmen (OLG Hamm MDR 2007, 973; ebenso Zöller/Geimer, 30. Aufl. 2014, § 115 ZPO Rz. 31; Motzer in: Münchner Kommentar 4. Aufl. 2013, § 115 ZPO Rz. 34). Dann können Eltern, die sich - bei insgesamt höheren Kosten - die Unterhaltspflichten in getrennten Haushalten teilen, im Ergebnis nicht schlechter behandelt werden. Kindergeld ist bei L. für Verfahrenskostenhilfezwecke nicht bedarfsdeckend anzurechnen, weil der Antragsgegner es tatsächlich nicht erhält, sondern in voller Höhe der Kindesmutter überlässt und mit dem Unterhalt für C. verrechnet. Umgekehrt kann bei C. dann allerdings auch nur der tatsächlich gezahlte Unterhalt (monatlich 180 EUR) berücksichtigt werden. Abweichend vom Familiengericht sieht der Senat hier auch keinen Anlass, den vollen Freibetrag zuzubilligen, weil C. nicht im Haushalt des Antragsgegners lebt, sondern sich dort nur zum 14-tägigen Wochenendumgang aufhält.
Nach Abzug der Freibeträge verbleibt dem Antragsteller ein monatliches Einkommen von 633 EUR. Davon sind (unter Einbeziehung einer Betriebskostennachzahlung von 131,68 EUR, das sind monatlich durchschnittlich 11 EUR) Wohnkosten von anteilig 272 EUR abzuziehen (das ist die Hälfte der vom Antragsgegner und seiner Partnerin insgesamt aufgewendeten 544 EUR). Ebenso sind als besondere Belastung des Antragsgegners anteilige Kita-Kosten für M. i.H.v. rund 53 EUR monatlich (ohne Essensbeträge, die vom allgemeinen Freibetrag bereits abgedeckt sind) zu berücksichtigen. Den danach verbleibenden 308 EUR stehen monatliche Kreditaufwendungen für das Sparkassendarlehen i.H.v. rund 419 EUR gegenüber. Zwar ist dieses Darlehen vom Antragsgegner gesamtschuldnerisch zusammen mit seiner Partnerin aufgenommen worden. Es trifft auch nicht zu, dass das Darlehen ausschließlich zur Umschuldung von Altlasten des Antragsgegners eingegangen worden ist. Der vorangegangene Kreditvertrag vom 10.4.2012, den die Lebensgefährtin des Antragsgegners ebenfalls als Gesamtschuldnerin mit unterschrieben hat, weist nämlich auch eine Gutschrift zu deren Gunsten, wenn auch nur i.H.v. 2.108 EUR, aus (Kreditvertrag Seite 3, dort Ziff. 9). Gleichwohl können Verbindlichkeiten aus gesamtschuldnerisch abgeschlossenen Verträgen nicht ohne weiteres zwei Gesamtschuldnern jeweils hälftig zugerechnet werden. Maßgeblich ist vielmehr der konkrete Haftungsanteil im Innenverhältnis der Gesamtschuldner. Nach dem Inhalt der vorgelegten Verträge spricht aber - abgesehen von der Behauptung des Antragsgegners, er zahle den Kredit allein zurück - jedenfalls nichts dafür, dass der Haftungsanteil seiner Lebensgefährtin im Innenverhältnis mehr als 1/4 betragen könnte. Bei dieser Sachlage wird der verbliebene Ei...