Leitsatz (amtlich)

1. Die im Presserecht bestehende Dringlichkeitsvermutung ist regelmäßig widerlegt, wenn sich der Kläger die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat verlängern lässt und die Berufung erst wenige Tage vor Ablauf der verlängerten Frist begründet.

2. Die Notwendigkeit, eine neue Rechtsfrage in der Berufungsbegründung zu diskutieren, lässt die Selbstwiderlegung nicht ausnahmsweise entfallen.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 12.10.2017; Aktenzeichen 04 O 2079/17)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um den Erlass einer Unterlassungsverfügung, gerichtet auf das Verbot der Weitergabe /Verbreitung eines "Whats-App"-Screen-shots, der vom Verfügungsbeklagten (Beklagten) zu 2) der Beklagten zu 1) zur Verfügung gestellt und von dieser in ihrem "Partner-Newsletter" veröffentlicht worden war. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil nach Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen kein schutzwürdiges Interesse des Verfügungsklägers (Klägers) an der Geheimhaltung des Chats bestehe. Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Zurückweisung des Verfügungsantrages im Hinblick auf die Beklagte zu 1).

Er beantragt

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, der Beklagten zu 1. aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Klägers Nachrichten aus dem WhatsApp-Chat-Verlauf mit dem Beklagten zu 2.), auch auszugsweise wie in Anlage A gekennzeichnet, zu veröffentlichen und zu verbreiten bzw. zu verbreiten und veröffentlichen zu lassen,

2. der Beklagten zu 1.) die diesbezüglichen Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

3. die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG Leipzig vom 12.10.2017 hinsichtlich der Beklagten zu 1) vorläufig einzustellen.

Die Beklagte zu 1.) beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Senat hat den Kläger mit Beschluss vom 25.1.2018 auf die fehlende Erfolgsaussicht seiner Berufung unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Selbstwiderlegung angesichts des aktenkundigen Fristenlaufes hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 16.2.2018 vertritt der Kläger die Auffassung, eine Selbstwiderlegung scheide hier aus, da nicht vorhersehbar gewesen sei, dass die Berufungsbegründungsfrist in die Vorweihnachtszeit fallen würde; durch den unterlassenen Hinweis auf die Folgen einer Verlängerung und Ausschöpfung der Berufungsbegründungsfrist habe der Senat zudem sein rechtliches Gehör verletzt.

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

1. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf den Hinweisbeschluss vom 25.01.2018 Bezug. Die Ausführungen des Klägers in seiner Stellungnahme vom 16.02.2018 zeigen keine Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen.

Im Ansatz zutreffend nimmt der Kläger an, dass einem Rechtsmittelführer im Grundsatz zugebilligt werden muss, ihm von Gesetzes wegen eingeräumte Fristen auch auszuschöpfen. Hieraus erwächst indes kein Anspruch, ohne Rechtsnachteile eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um die nach § 520 Abs. 2 ZPO ohne Zustimmung des Gegners mögliche Höchstdauer beantragen und diese Frist auch ausschöpfen zu dürfen. Die Maßstäbe, nach denen ein für eine Fristverlängerung angeführter Grund als "erheblich" im Sinne des § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO angesehen wird, sind niedrig (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 32. Aufl., § 520 Rz. 19 m.w.N.); mit der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Dringlichkeit im Sinne des § 935 ZPO haben sie nichts zu tun (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2002, 20 U 74/02, juris, Rz. 6). Dieses Erfordernis gilt in äußerungsrechtlichen Streitigkeiten auch im Berufungsverfahren, worauf der Senat bereits im Beschluss vom 25.1.2018 hingewiesen hat. Diese Dringlichkeit hat der Kläger durch die Beantragung einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen ganzen Monat und die Vorlage der Berufungsbegründung erst unmittelbar vor Ablauf dieser (verlängerten) Frist jedenfalls selbst widerlegt (vgl. zu den Maßstäben auch OLG Celle, Beschluss vom 17.09.2015, 13 U 72/15; juris Rz. 6; OLG Köln, Urteil vom 07.04.2017 - 6 U 135/16 juris Ls. 1 und juris Rz. 45; Hanseatisches Oberlandesgericht, B.v.18.08.2017 - 7 U 72/17, Juris LS 1; Stein/...

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