Leitsatz (amtlich)

1. Eine Divergenz, die die Zulassung der Revision erfordert und einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss entgegensteht, erfordert die Abweichung zu dem von einem anderen Obergericht aufgestellten Rechtssatz. Bei einer unterschiedlichen Würdigung des Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht liegt sie hingegen nicht vor; hierzu zählt auch die Frage, ob eine bestimmte Formulierung in den Beitragserhöhungsschreiben eines Krankenversicherers den in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen genügt.

2. Dass durch unterschiedliche Würdigung vergleichbarer Sachverhalt "das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung als Ganzes gefährdet" wird, stellt für sich genommen keinen Zulassungsgrund dar.

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Beschluss vom 15.09.2022; Aktenzeichen 4 U 1147/22)

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 2018/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 19. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 2.100,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen.

Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Wegen der Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf seinen Hinweisbeschluss vom 15. September 2022 Bezug. Mit ihrer Stellungnahme vom 30. September 2022 zeigt die Klägerin keine Gesichtspunkte auf, die dem Senat - auch nach nochmaliger Prüfung - Veranlassung geben, seine bereits im Hinweisbeschluss mitgeteilte Auffassung zu ändern.

1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Hinweisbeschluss in dieser Sache unter Ziffer I.1 der Gründe; Beschluss vom 23. Juni 2022, Az.: 4 U 687/22 - juris; Urteil vom 08. Februar 2022, Az.: 4 U 1728/21 - juris), dass neben der Mitteilung der veränderten Rechnungsgrundlage die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist, zum notwendigen Begründungsumfang einer Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG gehört. Allerdings genügen die Mitteilungen aus den Jahren 2015 und 2016 diesen Anforderungen, wie vom Senat im Einzelnen im vorgenannten Hinweisbeschluss dargelegt. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich der jeweiligen Mitteilung mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass die Überschreitung eines vorab festgelegten Schwellenwertes die die Klägerin betreffende Prämienanpassung ausgelöst hat. Denn die Beklagte hat in dem jeweiligen Anschreiben dargelegt, dass die gesetzliche Verpflichtung bestehe, einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen zu vergleichen und dieser Vergleich ergeben habe, dass die Beiträge verschiedener Tarife angepasst werden müssen. Darüber hinaus ist in dem jeweiligen Anschreiben der ausdrückliche Hinweis enthalten, dass weitere Informationen zur Beitragsanpassung sich in einem beiliegenden Merkblatt (dort u. a. die nähere Erläuterung des Schwellenwertmechanismus nach Hinweis auf den bereits im Anschreiben erwähnten jährlich durchzuführenden Vergleich) befinden und dass aus der nachfolgenden Aufstellung konkret ersichtlich sei, "wie sich die Beitragsanpassung auf Ihren Vertrag auswirkt". Damit kann die Klägerin der Mitteilung ohne Weiteres entnehmen, dass der im Anschreiben erwähnte Vergleich für den konkreten Tarif ihres Vertrages (s. dazu auch die Aufstellung) eine Abweichung in einem bestimmten Umfang (s. dazu auch das Informationsblatt) ergeben hat, der zur Beitragsanpassung führt.

2. Selbst wenn der Senat damit von der Auslegung des OLG Köln zu vergleichbaren Schreiben und Begleitinformationen der Beklagten abweichen sollte, gebietet diese Abweichung nicht die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO. Denn der BGH hat bereits in seinen Entscheidungen vom 23. Juni 2021 (Az.: IV ZR 250/20) und vom 21. Juli 2021 (Az.: IV ZR 191/20) darauf hingewiesen, dass allein der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden habe, ob die Mitteilungen den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügen, weil es sich hierbei nicht um eine Rechts- sondern um eine Tatsachenfrage handelt. Darüber hinaus begründet die von der Klägerin dargestellte Abweichung aber auch keine Divergenz im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Denn von einer Divergenz in diesem Sinne ist nur dann auszugehen, wenn verschiedenen Entscheidungen einander widersprechende abstrakte Rechtssätze zugrunde liegen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 09. Juli 2007, Az.: II ZR 95/06 - juris). Vorliegend beruhen die nach Darstellung der Klägerin gegenteiligen Entsch...

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