Entscheidungsstichwort (Thema)
Formularmäßige Begrenzung der Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung auf Fälle nur vorübergehender Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung, wonach der Versicherungsschutz sich nur auf eine vorübergehende, nicht jedoch auf eine endgültige Arbeitsunfähigkeit beschränkt und bei Eintritt von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet, ist nichtig überraschend und stellt auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Entscheidung vom 04.06.2009; Aktenzeichen 4 O 196/08) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 04.06.2009 - 4 O 196/08 - durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren soll auf 3.069,63 EUR festgesetzt werden.
Gründe
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da er davon überzeugt ist, dass sie keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch das Berufungsgericht nicht erfordert.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Klägern steht kein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. § 1922 BGB zu.
1. Unstreitig war die Verstorbene zumindest seit dem 01.09.2007, wahrscheinlich aber bereits (vgl. Rentenbescheid vom 03.11.2006, Anlage B 8) seit dem 01.08.2006 erwerbsunfähig (Klageschrift, Bl. 3, Rentenbescheid B 7). Nach § 5 Abs. 4 c AVB erlosch damit der zunächst begründete Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente. Von einer wirksamen Einbeziehung der AVB in das zugrunde liegende Versicherungsverhältnis ist - unbeschadet der Frage, ob die AVB der Erblasserin bei Vertragsschluss übergeben worden sind - zumindest nach § 5 a VVG a. F. auszugehen.
2. Diese Klausel ist wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen worden (§ 305 c Abs. 1 BGB) und stellt auch keine unangemessene Benachteiligung der Versicherungsnehmerin dar (§ 307 BGB).
a) Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Klausel des § 5 Abs. 4 lit c) AVB nicht überraschend im Sinne des § 305 c BGB. Überraschend ist eine Klausel, wenn sie objektiv ungewöhnlich und im Rahmen der Erkenntnismöglichkeiten des durchschnittlichen Kunden nicht zu erwarten ist (Palandt-Heinrichs BGB 68. Aufl. Rn. 3, 4). Davon ist hier schon deshalb nicht auszugehen, weil die streitgegenständliche Klausel in der Krankentagegeldversicherung (vgl. § 15 lit b) MBKT 94) seit geraumer Zeit Anwendung findet und in der Praxis weit verbreitet ist. Dort entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Berufs- und Arbeitsunfähigkeit als unterschiedliche Arten einer gesundheitlich bedingten Beeinträchtigung einander nach dem Grundsatz der Spezialität ausschließen (BGH VersR 1992, 477; VersR 1992, 174; OLG Bremen VersR 2001, 622; Versicherungsrechtshandbuch/Tschersich, § 45 Rn. 98; Senat, Urteil vom 11.12.2008 - 4 U 1969/07). Ein Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB wird von der o. a. Rechtsprechung nicht angenommen. Der BGH hat die Spezialität damit begründet, Sinn einer Krankentagegeldversicherung sei es, nur das Risiko eines voraussichtlich vorübergehenden krankheitsbedingten Verdienstausfalls, nicht jedoch das Risiko eines Einkommensausfalls wegen voraussichtlich dauernder Invalidität abzusichern. Die hieraus folgende Abgrenzung sei auch nicht etwa willkürlich, sondern unter Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner sachgerecht. Das Verdienstausfallrisiko könne nämlich nur durch eine - private oder öffentlich-rechtliche - Krankentagegeldversicherung abgedeckt werden. Dagegen flössen dem Versicherten bei dauernder Invalidität im Regelfall Leistungen aus der Invaliditäts- oder Altersversorgung (meist im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung) zu, die an die Stelle des früheren Arbeitsverdienstes träten und damit im Allgemeinen das Bedürfnis nach einem Ersatz durch Krankentagegeld überwiegend entfallen ließen (BGH VersR 1980, 1163).
Diese Erwägungen lassen sich auf die hier vorliegende Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung übertragen, der entgegen der Auffassung der Kläger gerade kein von der Krankentagegeldversicherung abweichendes "Leitbild" zugrunde liegt. Sie wird - ebenso wie jene - im Zusammenhang mit kreditfinanzierten PKW-Verkäufen abgeschlossen, um das Verdienstausfallrisiko aus einem Arbeitsverhältnis entfallen zu lassen. Abgesichert wird in der Praxis regelmäßig das Todesfallrisiko mit monatlich gleichmäßig fallender Versicherungssumme in Höhe des Gesamtkreditvertrags nebst Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung, nicht aber ein allgemeines Bonitätsrisiko (Knops, VersR 2006, 1455 ff.; vgl. aus versicherungsmathematischer Sicht Kamga u. a. Vw 2008, 55). Über eine derartige Versicherung ist zwar auch eine Absicherung von Berufsunfähigkeit denkbar, wenn die Versicherungsb...