Leitsatz (amtlich)
Die Möglichkeit der außerordentlichen und fristlosen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, auch eines Mietvertrages, wegen nicht durch Vertragsanpassung korrigierbarer Störungen der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3 Satz 2 BGB) hat neben der Möglichkeit, das Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich und fristlos kündigen zu können (§§ 314, 543, 569 BGB), einen abgrenzbaren Anwendungsbereich, weswegen der erste nicht vom zweiten Kündigungstatbestand verdrängt wird.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 21.10.2016; Aktenzeichen 1 O 75/16) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Chemnitz, 1. Zivilkammer, vom 21.10.2016 (1 O 75/16) nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Sie sollte zur Vermeidung weiterer Kosten die Möglichkeit einer Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über eine Verkaufsfläche im Objekt N. in C. durch Kündigung der Klägerin zum 27.11.2015 hilfsweise zum 31.12.2015 bzw. zum 31.03.2016 beendet wurde.
Der Mietvertrag über die streitgegenständliche Verkaufsfläche mit einer Größe von ca. 24 qm wurde am 08.03.2007 von der Klägerin als Mieterin und der H. GbR als Vermieterin geschlossen (Anlage K 1). Das Mietverhältnis begann am 15.05.2007 und war ursprünglich bis zum 31.08.2010 befristet. Es verlängerte sich nach § 2 Abs. 2 des Mietvertrages jeweils um fünf Jahre, wenn nicht eine der Parteien spätestens 12 Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widersprach. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befand sich im Objekt eine Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes "XXX". Der Mietzweck der Klägerin lautete gemäß § 1 Nr. 1 des Mietvertrages: "Bäcker in der Vorkassenzone des XXX-Marktes". Wegen der näheren Beschreibung der örtlichen Verhältnisse wird auf die als Anlage K 2 vorgelegte Skizze Bezug genommen.
Die Beklagte wurde zum 01.03.2014 Eigentümerin des Grundstückes und trat auf Vermieterseite in den Mietvertrag mit der Klägerin ein. Der Betreiber des Lebensmittelmarktes wechselte von "XXX" auf "YYY". Weder die Klägerin noch die Beklagte erklärten den Widerspruch gegen die Verlängerung des Mietvertrages bis zum 31.08.2020. Auf Einladung der Hausverwaltung der Beklagten vom 22.05.2015 (Anlage B 1) fand am 04.06.2015 ein Gespräch der Parteien statt, in welchem es um die Beendigung des Mietverhältnisses mit "YYY" im November 2015 und die Fortführung der Mietverträge mit der Klägerin und der im Objekt befindlichen Fleischerei sowie die weitere Nutzung der von diesen angemieteten Verkaufsflächen ging. Der Inhalt des Gespräches im Einzelnen ist zwischen den Parteien strittig. Ein weiteres Gespräch der Parteien, dessen Inhalt im Einzelnen strittig ist, fand am 16.07.2015 statt. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom selben Tage (Anlage K 5) die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages aus wichtigem Grunde zum Zeitpunkt der Beendigung der Geschäftstätigkeit des YYY-Marktes im Objekt, spätestens zum 31.12.2015. Die Beklagte widersprach der Kündigung. Nachdem das genaue Datum der Schließung des Lebensmittelmarktes von "YYY" am 21.11.2015 bekanntgeworden war, erklärte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 29.10.2015 (Anlage K 6), sie werde die von ihr genutzte Verkaufsfläche zum 27.11.2015 räumen. Die Klägerin räumte die Verkaufsfläche zum 27.11.2015 und zahlte bis zu diesem Zeitpunkt (für November 2015 anteilig) die vertraglich vereinbarte Miete. Wegen des aus ihrer Sicht bestehenden Mietrückstandes aus der anteiligen Miete für November 2015 sowie der vollständigen Miete für die Monate Dezember 2015 bis März 2016 erklärte die Beklagte auf S. 8 der Klageerwiderung vom 30.03.2016 (Bl. 23 dA), welche der Klägerin am 01.04.2016 zugestellt wurde, die außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzuges.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei erst im Gespräch am 04.06.2015 von der Beklagten darüber informiert worden, dass der Lebensmittelmarkt von "YYY" im November 2015 schließen werde. Zugleich sei ihr mitgeteilt worden, dass sich die Beklagte um einen Anschlussmieter bemühe. Am 16.07.2015 habe die Klägerin dann erfahren, dass kein Nachmieter gefunden worden sei, der im November 2015 nach Auszug von "YYY" einen neuen Lebensmittelmarkt im Objekt eröffnen werde. Aus diesem Grunde habe sie am selben Tage die Kündigung ausgesprochen, denn der Betrieb eines Supermarktes im Objekt sei Geschäftsgrundlage für ihren Mietvertrag gewesen. Seit dem 28.11.2015 habe die Klägerin die Verkaufsfläche nicht mehr erreichen können, weil der gemeinsame Eingang für die Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes und des Bäckers geschlossen gewesen sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin sei bereits im Jahre 2013, jedenfalls aber seit August 2014, bekannt gewesen, dass der Mieter "YYY" wegen Beend...