Leitsatz (amtlich)

Die Möglichkeit der außerordentlichen und fristlosen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses wegen nicht durch Vertragsanpassung korrigierbarer Störungen der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3 Satz 2 BGB) hat einen abgrenzbaren Anwendungsbereich und wird deswegen nicht von der Möglichkeit zur außerordentlichen und fristlosen Kündigung des Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund gemäß §§ 314, 543, 569 BGB verdrängt (Fortführung von Senatsbeschuss vom 08.02.2017, 5 U 1669/16).

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 5 O 555/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 14.07.2020 (5 O 555/19) im Kostenpunkt dahingehend abgeändert, dass von den Kosten des Rechtsstreits in I. Instanz die Klägerin 8/9 und die Beklagte 1/9 trägt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Dieses Urteil und das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 14.07.2020 (5 O 555/19) sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

Jede Partei kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Beendigung eines Mietverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung und über die Verpflichtung der Beklagten zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung.

Die Klägerin bietet IT-Dienstleistungen für regional ansässige Kunden, u. a. Web-Hosting, an und ist auch Carrier, wobei die Parteien darüber streiten, ab wann dies der Beklagten bekannt war. Die Beklagte erbringt Telekommunikationsdienstleistungen auf verschiedenen Serviceebenen ihrer Telekommunikationsnetze und ist als Netzbetreiber auch Carrier. Die Beklagte vermietet auch Rechenzentrumsflächen mit sog. Housing-Verträgen.

Die streitgegenständliche Rechenzentrumsfläche im Gebäude der Beklagten in der A... ... in D... wurde mit dem Mietvertrag vom 25.11.2011 (Anlage A 06) von der Beklagten für den festen Zeitraum vom 01.03.2012 bis zum 28.02.2017 an die XYX GmbH (im Folgenden: XYX) vermietet. XYX nutzte die Rechenzentrumsfläche als Web-Hoster. Für den Netzzugang der Rechenzentrumsfläche schlossen XYX und die Beklagte am 21.11.2011 einen y...-Vertrag mit gleicher Laufzeit (Anlage A 08), nach welchem die Beklagte zwei LWL-Leitungen über ihre eigene Datentechnik und ihre eigenen Netze zur Verfügung stellte.

Wegen der Einstellung der Geschäftstätigkeit in diesem Bereich durch die XYX übernahm die Klägerin den Standort mit den Bestandskunden von dieser. Dafür schlossen XYX und die Klägerin den Übernahmevertrag vom 24./28.04.2014 (Anlage A 10), nach welchem sowohl der Housing-Vertrag von XYX mit der Beklagten vom 25.11.2011 als auch der y...-Vertrag zwischen XYX und der Beklagten vom 21.11.2011 auf die Klägerin überging. Nach Anzeige der Übernahme an die Beklagte mit Schreiben der XYX, welche inzwischen unter P... AG firmierte, mit Schreiben vom 06.05.2014 (Anlage A 11) führte die Klägerin zunächst die ursprünglich von der Beklagten mit XYX am Standort A... ... in D... bestehenden Verträge weiter.

In der Folgezeit führten die Parteien Gespräche wegen des Abschlusses eines neuen Housing-Vertrages, welcher an die Stelle des von der Klägerin von XYX übernommenen Vertrages treten sollte. Im Zuge dieser Gespräche äußerte die Klägerin den Wunsch, für die Rechenzentrumsfläche eine Anbindung durch LWL-Leitungen in Form des Dark Fibre zu erhalten, also dunkle Glasfaserkabel ohne Service, an welche der Nutzer seine eigene Übertragungstechnik anschließt, mittels derer er autonom Daten übertragen kann, anstatt diese Daten einem anderen Netzbetreiber zur Übertragung in dessen Netz zu übergeben. Zwischen den Parteien ist strittig, ob die Beklagte der Klägerin eine solche Lösung zugesagt (so die Klägerin) oder lediglich erklärt hat, die Möglichkeit der Genehmigung einer solchen Lösung im Konzern zu prüfen (so die Beklagte).

Die Gespräche der Parteien mündeten in den Abschluss eines Mietvertrages vom 14.11.2014 über die Rechenzentrumsfläche im Gebäude A... ... in D... (Housing-Vertrag mit Anlage 1 (Leistungsbeschreibung) als Anlagen A 17 und A 18). Der neue Housing-Vertrag mit einer Laufzeit vom 01.01.2015 bis mindestens zum 31.12.2019 trat an die Stelle des von der Klägerin von XYX übernommenen Mietvertrages. Regelungen zum Netzzugang der Rechenzentrumsflächen enthielt dieser Vertrag nicht.

Auf entsprechende Nachfrage der Klägerin vom 04.02.2015 erhielt diese von der Beklagten mit Schreiben vom 06.02.2015 (Anlage A 21) das (freibleibende) Angebot zur Glasfaserverlegung für die LWL-Weiterleitung. Nachdem die Klägerin das Angebot vom 06.02.2015 mit ihrer E-Mail vom 10.02.2015 (Anlage A 23) um Details zu den Kabellängen ergänzt hatte, erklärte die Beklagte Mitte März 2...

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