Leitsatz (amtlich)

Dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Pkw steht kein unionsrechtlicher Schadenersatzanspruch und auch kein Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegenüber der Bundesrepublik zu.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 5 O 674/20)

 

Tenor

1. Es wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klagepartei erhält Gelegenheit, innerhalb einer Frist von drei Wochen zu den Hinweisen des Senats Stellung zu nehmen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über behauptete Schadensersatzansprüche der Klagepartei aus unionsrechtlicher Staatshaftung in Zusammenhang mit dem Dieselabgasskandal.

Die Klagepartei erwarb am 11.12.2012 einen ..., welcher mit einem Motor ... ausgestattet ist, zum Kaufpreis von 22.117,- EUR. Sie hat mit ...... einen Vergleich über 4.100,- EUR abgeschlossen, mit welchem alle Ansprüche der Klagepartei gegenüber ... abgegolten sind.

Nachdem die Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, begehrt die Klagepartei in der Berufung zuletzt Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wegen Unterlassung hinreichender Sanktionen iSv Art. 46 RL 2007/46/EG, hilfsweise wegen der Erteilung der Typengenehmigung für den konkreten Fahrzeugtyp, hilfsweise wegen der ihr aus der Manipulation des Fahrzeugs entstehenden Schäden: Weiter hilfsweise begehrt die Klagepartei Zahlung von 18.017,- EUR Zug um Zug gegen Nutzungsentschädigung sowie Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

II. 1. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Feststellungsklage wegen Vorrangs der Leistungsklage und wegen fehlender Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts bereits unzulässig wäre, denn das Feststellungsinteresse ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 27.09.2011, Az.: II ZR 256/09, Rn. 9; Urteil vom 17.04.2018, Az.: XI ZR 446/16, Rn. 27 - die Entscheidungen sind, soweit nicht anders angegeben, vorstehend und auch im Weiteren jeweils zitiert nach juris). Der Klagepartei steht der behauptete Schadensersatzanspruch jedoch nicht zu, sodass die Berufung unbegründet ist.

2. Die Feststellungsklage ist sowohl im Hauptantrag wie auch im Hilfsantrag nicht begründet.

Die Auffassung des Landgerichts stimmt mit der einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte überein, vgl.: OLG München, Beschluss vom 25.08.2020, Az.: 1 U 3827/20, n.v.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 06.10.2020, Az.: 6 U 4/20, n.v.; KG, Beschluss vom 03.11.2020, Az.: 9 U 1033/20; Thüringisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15.12.2020, Az.: 4 U 364/20, n.v.; OLG Köln, Beschluss vom 17.12.2020, Az.: 7 U 50/20; OLG Köln, Beschluss vom 21.12.2020, Az.: 7 U 56/20; OLG Köln, Beschluss vom 29.12.2020, Az.: 7 U 86/20; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 03.02.2021, Az.: 2 U 102/20; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.02.2021, Az.: 4 U 466/20; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.03.2021, Az.: 4 U 138/20; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.03.2021, Az.: 1 U 183/20; OLG Hamm, Urteil vom 19.03.2021, Az.: 11 U 56/20). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Im Gegensatz zur Berufung hält der Senat diese Auffassung im Ergebnis und in den maßgeblichen Begründungselementen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, für richtig.

Zusammenfassend gilt daher das Folgende für den vorliegenden Fall:

2.1 Die Voraussetzungen für einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch gegen die Beklagte sind nicht erfüllt.

Voraussetzung eines solchen Schadensersatzanspruches ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), dass gegen eine Rechtsnorm verstoßen worden ist, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (EuGH, Urteil vom 05.03.1996, Az.: C 46/93 - Brasserie du Pecheur - und C 48/93 - Factortame; BGH, Urteil vom 24.10.1996, Az.: III ZR 127/91; BGH, Urteil vom 12.05.2011, Az.: III ZR 59/10).

a) Hier fehlt es bereits an der Voraussetzung einer gerade auch die Klagepartei individuell schützenden Rechtsnorm. Die Richtlinie 2007/46/EG dient nicht dazu, einen Fahrzeugverkäufer vor wirtschaftlichen Nachteilen zu schützen, die ihm entstehen, wenn er ein Fahrzeug erwirbt, dessen Motor über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt. Sie dient vielmehr dem Schutz der Güter der Allgemeinheit, wie sie sich aus den der Richtlinie 2007/46/EG vorangestellten Erwägungsgründen ergeben.

aa) Wie die anderen Oberlandesgerichte geht auch der erkennende Senat davon aus, dass die von der Klagepartei herangezogenen Normen, insbesondere Art. 8 i.V.m. Art. 12 der RL 2007/46 sowie deren Art. 46 nicht dem Schutz der von ihr in diesem Rechtsstreit angeführten individuellen Interessen dient. Dazu hat das OLG Köln im Beschluss vom 21.12.2020, a....

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