Leitsatz (amtlich)
1. Im einstweiligen Verfügungsverfahren reicht die Bezugnahme auf einen in einer anderen Publikation erschienen Artikel zur Glaubhaftmachung der darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen nicht aus.
2. Ausreichend kann aber die anwaltliche Versicherung auch eines nicht am Rechtsstreit beteiligten Rechtsanwalts sein.
3. Eine hinreichend sorgfältige Recherche für eine Verdachtsberichterstattung liegt nicht vor, wenn diese allein auf Veröffentlichungen Dritter fußt.
4. Wird eine Äußerung von einem Presseorgan lediglich verbreitet, kann mit einem Unterlassungsantrag nicht das "Behaupten" untersagt werden.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 2851/21) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 30.12.2021 teilweise abgeändert und der Antragsgegnerin bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführung, auferlegt, es zu unterlassen, die nachfolgende Äußerung in Bezug auf den Antragsteller wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten oder verbreiten zu lassen:
"Der Prominente soll auch gedroht haben, ein Video bei ... zu veröffentlichen, das 'viral gehen' werde."
so wie geschehen seit dem 13.11.2021 in der Printausgabe der "XXX".
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfügungsverfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Der Streitwert für das Verfügungsverfahren wird für beide Instanzen auf 20.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Verfügungsverfahren auf Unterlassung zweier Äußerungen in einer am 13.11.2021 erschienen Berichterstattung in der Printausgabe der von dieser vertriebenen "XXX" in Anspruch. Dort hatte dieser über einen Vorfall vom 00.00.0000 berichtet, bei dem der Antragsteller nach seiner Behauptung von Mitarbeitern des ... Hotels ... ... beleidigt worden sein soll. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Die in dem Artikel aufgestellte Behauptung, der Antragsteller habe angedroht, ein Video über den Vorfall auf Instagram zu veröffentlichen sei nicht als unwahr anzusehen, nachdem die Antragsgegnerin diese Behauptung hinreichend glaubhaft gemacht habe. Wegen des erheblichen öffentlichen Interesses sei auch von einer zulässigen Verdachtsberichterstattung auszugehen. Da sich der Antragsteller gegenüber der Wochenzeitschrift "YYY" nicht zu einem gleichgelagerten Vorwurf geäußert habe, habe die Antragsgegnerin davon absehen dürfen, ihn hierzu nochmals zu befragen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers werde in dem Artikel auch nicht behauptet, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des Vortäuschens einer Straftat eröffnet worden sein. Einen hierauf gerichteten Unterlassungsanspruch habe der Antragsteller daher nicht. Mit der sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, verfolgt der Antragsteller sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter.
Die Antragsgegnerin hatte im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. Die nach §§ 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses sowie zum Erlass der einstweiligen Verfügung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
1. Dem Antragsteller steht der geltend gemacht Verfügungsanspruch gemäß dem Antrag zu Nr. 1 gemäß §§ 823, 1004 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Die Verbreitung der hiermit angegriffenen Äußerung verletzt ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Die Äußerung, der Antragsteller habe am 00.00.0000 gegenüber einem Mitarbeiter des ... Hotels gedroht, ein Video bei Instagram zu veröffentlichen, das "viral gehen werde", stellt eine Tatsachenbehauptung dar. Für das Verfügungsverfahren ist im Anschluss an die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, in der er diesen Vorwurf ausdrücklich bestritten hat (Anlage AG 4), entgegen der Auffassung des Landgerichts davon auszugehen, dass diese Behauptung unwahr ist. Dies folgt aus der in das Zivilrecht transferierten Beweisregel des § 186 StGB, die immer dann für den Betroffenen streitet, wenn die verbreitete Tatsachenbehauptung im Rahmen der betreffenden Berichterstattung zur Herabwürdigung des Antragstellers in der öffentlichen Meinung geeignet ist. Dies ist hier der Fall, wird dem Antragsteller doch mit der streitgegenständlichen Behauptung unterstellt, aus bloßer Verärgerung über eine zurückgesetzte Behandlung Arbeitnehmern des Hotels mit einem "Internetpranger" auf ... gedroht zu haben. Unabhängig davon, ob ein solches Verhalten strafrechtlich als versuchte Nötigung einzustufen wäre, wenn der Antragsteller selbst diese Drohung eingesetzt hätte, um selbst eine Bevorzugung zu erfahren, stellt es ihn ...