Leitsatz (amtlich)
In Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) ist ein /"bedeutender Schaden/" im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB angesichts der allgemeinen Preis- und Kostenentwicklung auch in den neuen Bundesländern erst ab 1300,00 Euro anzunehmen.
Verfahrensgang
AG Dresden (Entscheidung vom 19.01.2005; Aktenzeichen 220 Cs 706 Js 61621/04) |
Tenor
1.
Auf die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 19. Januar 2005 im Maßregelausspruch aufgehoben.
Dem Angeklagten wird für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
2.
Dem Angeklagten ist für die Entziehung seiner Fahrerlaubnis für den Zeitraum vom 21. Januar 2005 bis zum 01. Mai 2005 eine Entschädigung aus der Staatskasse zu gewähren.
3.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Dresden hat den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu jeweils 20,00 EUR verurteilt. Zugleich hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und der Verwaltungsbehörde verboten, dem Angeklagten vor Ablauf von fünf Monaten eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen diese Maßregelentscheidung richtet sich die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft.
Schon zuvor, am 12. Dezember 2004, hatte das Amtsgericht, allerdings ohne dass die Staatsanwaltschaft hiergegen Beschwerde erhoben hat, gemäß § 111 a StPO den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis des Angeklagten angeordnet. Der Führerschein befand sich vom 21. Dezember 2004 bis zum 02. Mai 2005 in amtlicher Verwahrung bei den Akten.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist, wie sich aus der Begründung des Rechtsmittels ergibt, auf den Maßregelausspruch beschränkt und strebt ausschließlich eine dem Verurteilten günstige Rechtsfolge an. Deshalb und weil das Rechtsmittel begründet ist, ist dem Senat eine Beschlussentscheidung nach § 349 Abs. 4 StPO eröffnet (BGH bei Kusch NStZ 1997, 379 Nr. 20 m.w.N.; BGH NStZ-RR 2004, 137).
Im Übrigen führt die Staatsanwaltschaft zutreffend aus:
"Zwar ist angesichts des inneren Zusammenhangs eine Entscheidung über die Maßregel grundsätzlich unabhängig von den Erwägungen zur Strafzumessung nicht möglich. Andererseits ist hier davon auszugehen, dass die Feststellungen des Amtsgerichts nicht geeignet sind, die von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorgegebene Regelanordnung zu stützen. Deshalb konnte das Rechtsmittel auf den Maßregelausspruch beschränkt bleiben und kann das Rechtsmittelgericht in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entscheiden. Denn es ist zudem auszuschließen, dass hinsichtlich der noch offenen Fragen zum Entzug der Fahrerlaubnis noch weitere - für den Angeklagten günstige - Feststellungen getroffen werden können (vgl. OLG Stuttgart NZV 1997, 316, 317)."
III.
Das Rechtsmittel ist begründet.
Das Amtsgericht hat keine Feststellung zur Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen getroffen, sondern sich auf die Regelvorschrift des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB berufen. Dabei hat es allerdings die Grenze für den Rechtsbegriff eines "bedeutenden Schadens" im Sinne dieser Vorschrift in Anbetracht der in den letzten Jahren deutlich zu beobachtenden gestiegenen Preis- und Kostenentwicklung zu niedrig angesetzt, weil es bei seinen Erwägungen einen falschen Ausgangspunkt gewählt hat. Denn nach Auffassung des Amtsrichters müsse "jedenfalls dann von einem bedeutenden Schaden für den Geschädigten ausgegangen werden, wenn der verursachte Schaden höher ist als das durchschnittliche Nettoeinkommen eines Durchschnittsverdieners" (UA S. 11).
Unbeschadet des Umstands, dass es auf die Vermögensverhältnisse des Geschädigten nicht ankommt, (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. Rdnr. 11 zu § 142) führt die Staatsanwaltschaft insoweit zutreffend aus:
"Ob ein bedeutender Schaden in diesem Sinne vorliegt, bemisst sich nach wirtschaftlichen Kriterien und beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls gemindert wird. Bei Beschädigung eines Kraftfahrzeuges sind daher nicht nur die Reparatur-, Abschlepp- und Bergungskosten einschließlich Mehrwertsteuer zu berücksichtigen (OLG Naumburg a.a.O.), sondern auch ein trotz Reparatur verbleibender unfallbedingter merkantiler Minderwert. Der Schadensbegriff deckt sich daher insoweit nicht stets mit dem des 'bedeutenden Werts' i.S.v. § 315 StGB, wenngleich an den Wertbegriff im § 315 c StGB anzulehnen ist (Tröndle/Fischer StGB 51. Auflage § 69 Rdz. 13, 13 a m.w.N.).
Die Mindestgrenze für den bedeutenden Sachwert i.S. der §§ 315, 315 a, 315 b 315 c StGB wird inzwischen nicht mehr unter 1.000,00 EUR angesetzt (Tröndle/Fischer StGB, 52 A., § 315 c StGB Rz. 15 i.V.m. § 315 StGB).
Da zwar von demselben Wertbegriff auszugehen ist, aber in diesem Repara...