Leitsatz (amtlich)
1. Das Herstellen und Inverkehrbringen eines Fahrzeugs im Anwendungsbereich der EG-Typengenehmigungsverordnung beinhaltet keine Garantieerklärung gegenüber Dritten.
2. Bis zur Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 (C-693/18) war jedenfalls die Annahme gerechtfertigt, dass der Einbau eines sog. Thermofensters aus Gründen des Motor- oder Bauteilschutzes zulässig war; dies stellt einen unvermeidbaren Rechtsirrtum dar, der verschuldensabhängige Schadenersatzansprüche ausschließt.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 7 O 1938/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 6.000,00 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Die Klägerin erwarb von einem privaten Verkäufer am 16.09.2020 einen VW Touran 1,6 l TDI Euro-Norm5. Dieser wies seinerzeit eine Laufleistung von 143.100 km auf, bei Klageerhebung im September 2021 einen Kilometerstand von 157.440 km und wird auch derzeit noch von der Klägerin genutzt. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189, Euro-Norm 5 und einer Abgasrückführung (AGR) ausgestattet. Das nach Bekanntwerden des sogenannten Diesel-Skandals von der Beklagten für einen Großteil ihrer hergestellten Fahrzeuge angebotene Software-Update ist unstreitig bereits vor dem Kauf aufgespielt worden. Ein Rückruf wurde für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) nicht ausgesprochen.
Die Klägerin behauptet, nicht nur im Ursprungsmotor, sondern auch im Software-Update sei eine unzulässige Abschaltvorrichtung in Form einer temperaturgeführten Abgasrückführung (Thermofenster) enthalten. Sie sieht hierin eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte und verlangt von ihr Schadensersatz im Wege der Rückabwicklung des Kaufvertrages, wobei sie sich gezogene Nutzungen anrechnen lässt. Ferner verlangt sie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für noch nicht bezifferbare Schäden in Form potentiell drohender, der Höhe nach noch nicht bekannter Steuererhöhungen wegen eines erhöhten Schadstoffausstoßes.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe greifen nicht durch.
1. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch kommt für die Klägerin unstreitig nicht in Betracht. Die Klägerin hat das Fahrzeug von einem privaten Verkäufer erworben, sie macht auch keine verkaufsrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte geltend.
2. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, das Landgericht habe sich zu Unrecht nicht mit der geltend gemachten Anspruchsgrundlage nach §§ 280 Abs. 1, 241, 311 Abs. 3 BGB befasst. Der Klägerin steht ein solcher Anspruch nicht zu. Nach § 311 Abs. 3 BGB kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB zwar auch zu Personen entstehen, die nicht selber Vertragspartei werden sollen, beispielsweise dann, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst. Mit dem Herstellen und Inverkehrbringen eines Fahrzeuges, das den Vorgaben der EG-Typengenehmigung unterliegt, gibt der Hersteller aber keine Garantieerklärung im Sinne von § 443 BGB ab, weil er mit der Einhaltung der Vorgaben der EG-Typengenehmigung lediglich eine gesetzliche Verpflichtung zur Schaffung der Voraussetzungen der (Erst-)Zulassung erfüllt. Aus diesem Grunde kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er durch die Herstellung gegenüber Dritten in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch Vertragsverhandlungen beeinflusst (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.01.2022 - 6 U 128/20 - juris, Rz. 44 ff.; OLG Köln, Urteil vom 30.06.2021 - I-22 U 98/19 - juris, Rz. 65 ff.; OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019 - 7 U 134/17, Rz. 79). Ein "besonderes Vertrauen" konnte die Beklagte schon deshalb nicht bei Kaufvertragsabschluss in Anspruch nehmen, weil sie hieran nicht im Mindesten beteiligt war. Der Senat schließt sich insoweit dem Oberlandesgericht Karlsruhe in der vorzitierten Entscheidung an, wo dieses ausführt:
"Die Regelung des § 311 Abs. 3 BGB wurde eingeführt, um die nach der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu kodif...