Leitsatz (amtlich)
1. Die bereits angelaufene Verjährungsfrist eines Anspruchs wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Dieselfahrzeug beginnt nach dem Aufspielen eines aufgrund eines verpflichtenden Rückrufs angebotenen Software-Updates des Herstellers nicht erneut.
2. Die Behauptung, mit einem Software-Update seien weitere Abschalteinrichtungen installiert worden, führt einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren ein.
3. Greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines "Thermofensters" als unzulässige Abschalteinrichtung liegen nicht vor, wenn die Behauptung zu dessen Umfang innerhalt der Instanzenzüge wechselt und ein Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug nicht hergestellt wird.
4. Der "große" Schadensersatz kann nicht auf das nach Erwerb des Fahrzeugs behauptete Aufspielen eines Software-Updates gestützt werden.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 5 O 332/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Chemnitz vom 18.08.2022 - 5 U 332/22 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19,469,93 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege der Zug um Zug Verurteilung gegen Rückgabe seines Fahrzeuges die Zahlung von Schadensersatz im Rahmen des "Diesel-Skandals".
Am 08.11.2013 erwarb der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug der Marke Skoda vom Typ Yeti, 2,0, TDI 4x4 81 kW mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 mit der Euronorm 5.
Der Kläger hat sich erstinstanzlich auf die beim EA 189-Motor festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen berufen und Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Herausgabe des Erlangten nach § 852 BGB begehrt. Die Beklagte hat hiergegen die Einrede der Verjährung unter Hinweis auf die ad hoc Mitteilung der Beklagten im Jahre 2015, die breite mediale Berichterstattung im Jahre 2016 und das an den Kläger persönlich gerichtete Informationsschreiben vom 15.02.2016 erhoben. Mit diesem Schreiben wurde der Kläger über Unregelmäßigkeiten in seinem Dieselmotor und die Möglichkeit eines kostenlosen Software-Updates ab der 9. Kalenderwoche im Jahre 2016 informiert. Dieses Software-Update hat der Kläger zu einem unbekannten Zeitpunkt unstreitig auch aufspielen lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages, der dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf etwa vorhandene unzulässige Abschalteinrichtungen in der ursprünglichen Software seien Ansprüche des Klägers verjährt. Ein möglicherweise in der neuen Software enthaltenes Thermofenster sei nicht als unzulässig, jedenfalls aber dessen Einbau nicht als sittenwidrig anzusehen. Ein Anspruch aus § 852 BGB scheitere an der erforderlichen, hier aber nicht gegebenen unmittelbaren Vermögensverschiebung zwischen Schädiger und Geschädigtem.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Klageziele nicht mehr uneingeschränkt weiter. Weder macht er die erstinstanzlich verlangten Finanzierungskosten geltend, noch begehrt er weiterhin Auskunft. Er rügt aber, das Landgericht habe verkannt, dass das Software-Update eine erneute sittenwidrige Schädigung darstelle, weil hier neue "multiple" Abschalteinrichtungen verbaut worden seien (Seiten 30, 31 und 39 der Berufungsbegründung). Der Kläger behauptet, die auch sein Fahrzeug betreffende Rückrufaktion mit dem Code 23 R 6 sei identisch mit der Rückrufaktion mit dem Code 23 R 7. Bei letzterer habe es einen erneuten Rückruf jedenfalls bei einem Fahrzeug vom Typ "EOS" gegeben (Seiten 3 und 4 der Berufungsbegründung). Insbesondere sei in der neuen Software ein Thermofenster enthalten. Ein Schaden sei ihm in der Form entstanden, dass der Marktwert für den streitgegenständlichen Motorentyp seit dem Rückruf des KBA um 25 % gesunken sei. Sein Auto verbrauche auch ca. eineinhalb Liter mehr pro 100 Kilometer seit dem Update. Im neuen Software-Update sei neben dem Thermofenster eine OBD-Manipulation und eine "1000 Meter-Funktion" verbaut und diese seien sämtlich dem KBA bewusst und wahrheitswidrig verschwiegen worden. Ein Schaden sei dem Kläger unmittelbar auch dadurch entstanden, dass er überhaupt den Kaufvertrag geschlossen und sich zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet habe.
Sowohl das Thermofenster als auch das OBD-System seien unzulässige Abschalteinrichtungen. Dies habe das Landgericht verkannt.
Der Kläger beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 28.579,43 EUR abzüglich einer im Termin zur mündlichen Verhandlung zu beziffer...