Leitsatz (amtlich)

1. Lehnt das AG den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab und erlässt das LG auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers ein Versäumnis,- und nach zulässigem Einspruch des Verfügungsbeklagten ein dieses aufrechterhaltendes Endurteil, so ist hiergegen auch dann die Berufung zum OLG nicht zulässig, wenn das angefochtene Urteil den Anschein einer erstinstanzlichen Entscheidung vermittelt.

2. Eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO kommt im Verfügungsverfahren nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 19.09.2011; Aktenzeichen 8 T 471/11)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des LG Leipzig vom 19.9.2011 - 8 T 471/11 - als unzulässig zu verwerfen.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren soll auf 5.000 EUR festgesetzt werden.

 

Gründe

1. Nach § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie an sich nicht statthaft ist. Dies ist hier der Fall. § 511 Abs. 1 ZPO lässt die Berufung nur gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile zu. Um ein solches Urteil handelt es sich bei der angefochtenen Entscheidung des LG Leipzig vom 19.9.2011 indes nicht. Dieses Urteil und das ihm zugrunde liegende Versäumnisurteil der Kammer vom 12.8.2011 sind vielmehr auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den erstinstanzlichen Beschluss des AG Leipzig vom 1.6.2011 ergangen, mit dem das AG den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit aber auch mangels eines Verfügungsanspruches nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 185 StGB abgelehnt hatte. Ordnet in einem solchen Fall das Beschwerdegericht mündliche Verhandlung an, so hat es die Entscheidung durch Endurteil zu treffen. Ein solches Urteil gilt als in zweiter Instanz erlassen und unterliegt daher gem. § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht der Revision und gem. § 511 Abs. 1 ZPO auch nicht der Berufung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 922 Rz. 14; BGH NJW 2003, 1531).

Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass das LG rechtsfehlerhaft weder im Versäumnisurteil vom 12.8.2011 noch in dem dieses aufrechterhaltenden Endurteil vom 19.9.2011 den angefochtenen Beschluss des AG vom 1.6.2011 abgeändert und durch diesen Tenor und die Bezugnahme auf § 708 Nr. 6 ZPO in den Entscheidungsgründen möglicherweise den Rechtsschein einer erstinstanzlichen Entscheidung gesetzt hat, auch wenn es an anderer Stelle die Zulässigkeit der "sofortigen Beschwerde" abhandelt. Nach allgemeiner Auffassung dürfen die Prozessparteien allerdings dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre (Grundsatz der "Meistbegünstigung", ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH NJW-RR 2008, 846; NJW-RR 2008, 218 m. w. N). Allerdings rechtfertigt dieser Grundsatz keine Erweiterung des gesetzlichen Rechtsmittelzuges. Der Schutzgedanke der Meistbegünstigung soll die beschwerte Partei lediglich vor Nachteilen schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen, ihr aber nicht Vorteile verschaffen, die ihr im Falle der richtigen Entscheidungsform nicht zustünden. Das der tatsächlichen (inkorrekten) Entscheidungsform entsprechende Rechtsmittel ist folglich nur dann statthaft, wenn gegen eine formell richtige Entscheidung ein Rechtsmittel gegeben wäre (BGH MDR 2009, 1000; NJW-RR 2006, 1184; NJW 1997, 1448 m.w.N.; MünchKomm/Rimmelspacher ZPO, 3. Aufl. vor §§ 511 ff. Rz. 80, 84; Zöller/Heßler, a.a.O., vor § 511 Rz. 32). Dies wäre hier nicht der Fall gewesen. Auch bei formell richtiger Entscheidung hätte das LG nämlich den Beschluss des AG aufgehoben und wie geschehen nur in der Sache selbst entscheiden können. Ein Rechtsmittel hätte der Verfügungsbeklagten auch in diesem Fall nicht zugestanden.

Anders als die Verfügungsbeklagte annimmt, war das LG nicht gehalten, den Beschluss vom 1.6.2011 nach § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO aufzuheben und das Verfahren an das AG zurück zu verweisen. Zwar darf das Berufungsgericht nach dieser Vorschrift eine Sache zurückverweisen, "wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist". Die Verwendung des Begriffes "Klage" deutet aber bereits an, dass diese Norm im Verfügungsverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers keine Anwendung finden soll. In Eilverfahren bedeutet eine Zurückverweisung nämlich eine - gegebenenfalls erhebliche - zeitliche Streckung des Verfahrens, die dessen Zweck widerspricht. Dies gilt auch dann, wenn der Anspruchsteller zu Unrecht die sachliche Prüfung seines Eilbegehrens aus rein prozessualen Gründen in der ersten Instanz nicht erreicht hat. Würde in dieser Situation das Berufungsgericht erneut eine rein prozessuale Entscheidung treffen, wäre dies mit der dem Eilverfahren innewohnenden Dringlichkeit...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge