Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinserteilung. Erbscheinsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach allgemeiner Ansicht in Literatur und Rechtsprechung ist es zulässig, testamentarische Zuwendungen mit der Bedingung zu versehen, wer gegen den letzten Willen vorgehe, solle nichts oder nur den Pflichtteil erhalten.

2. Zweck derartiger Klauseln ist es, die Verwirklichung des letzten Willens zu sichern und Streitigkeiten unter den Hinterbliebenen zu verhindern (MüKo a.a.O.). Es handelt sich im Zweifel um eine auflösende Bedingung für den Fall der Zuwiderhandlung.

3. Bei Verwirkungsklauseln, die einen Angriff auf die Verfügung betreffen, ist dabei durch Auslegung zu ermitteln, welches Verhalten des Bedachten zur Bedingung erhoben ist und die Verwirkungsfolge auslösen soll.

 

Normenkette

BGB §§ 2074, 2078

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Beschluss vom 28.09.1998; Aktenzeichen 1 T 1991/98)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4) wird der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 28.09.1998, Az: 1 T 1991/98, aufgehoben.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Grimma, Az: VI 801/95, wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) tragen die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 4).

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 200.000,00 festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

1. Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens darum, ob eine testamentarische Verwirkungsklausel eingreift.

Am 20.12.1995 verstarb A … S … R … (im Folgenden: Erblasser). Der Beteiligte zu 4) ist das außereheliche Kind des Erblassers, geb. am 21.06.1990.

Die Vaterschaft wurde nach dem Tode des Erblassers durch Beschluss des Amtsgerichts Grimma, Vormundschaftsgericht, vom 29.07.1996, Az: X 1/96, rechtskräftig am 26.08.1996 festgestellt. Im Feststellungsverfahren waren die Mutter des Beteiligten zu 4), die Beteiligten zu 1) und 3) und die Geschwister des Erblassers, G … G …, Ge … und K … R …, angehört worden. Die Mutter des Beteiligten zu 4) hatte mit Schreiben vom 19.02.1996 Kopien von Briefen des Erblassers an sie in Bezug auf die Vaterschaft eingereicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte des Vormundschaftsgerichts Grimma Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 1) ist die Witwe des Erblassers, die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine ehelichen Kinder.

Der Erblasser war Vorsitzender einer LPG, in der sämtliche Familienmitglieder sowie die Mutter des Beteiligten zu 4) tätig waren und die in eine GmbH & Co. KG umgewandelt worden war, wobei Geschäftsführer der haftenden GmbH der Erblasser war (vgl. HRA 11553 sowie HRB 2846 AG Leipzig).

Der Erblasser hat am 15.08.1994 ein Testament errichtet, in dem er Folgendes bestimmt hat:

”Nerchau 15.8.1994

Testament

Ich A … S … R …, geb. am 31.3.1930 in Frauendorf lege heute in Vollbesitz meiner geistigen Kräfte folgendes, als meinen letzten Willen fest.

  1. Mein Sohn E … P …, geb. am 21.6.1990 in Grimma, wird hiermit ausdrücklich und vorbehaltlos als mein Sohn und Sohn von Frau I … P …, Fremdiswalde als voll erbberechtigter Erbe anerkannt.
  2. Bei allen erbberechtigten Kindern ist E … P … mit 1/3 erbberechtigt.
  3. E … P … erbt allein meine gesammten Anteile am Stammkapital der GmbH Nerchau, Handelsregisternummer, HRB 2846, eingetragen beim Registergericht Leipzig.
  4. Zum Punkt 3 wird festgelegt, das E … P … unabhängig von der Höhe meines Anteils Alleinerbe wird. Mein Sohn E … P … erhält diesen Erbteil, weil seine Mutter keinerlei Erziehungsgeld erhalten hat, aber auch deswegen das er, wenn sein Interesse für den Beruf eines Landwirtes vorhanden ist eine Hochschulausbildung absolviert um spätestens 3 Jahre nach dem Abschluß die Leitung der Landwirtschafts und Dienstleistungs GmbH Nerchau als Geschäftsführer übernimmt.

    Sollte mein Sohn E … P … den Beruf eines Landwirtes nicht ergreifen und die Geschäftsführung nicht übernehmen so ist dieser Anteil des Stammkapitals seiner Mutter, I … P … die damit von mir das Vorkaufsrecht erhält, anzubieten.

  5. Das personifizierte Vermögen das als Haftkapital unter der Nr. HRA 11553 in der GmbH u Co KG Nerchau, der Pflanzen u Tierproduktion in Höhe von 19555,- DM eingetragen ist, erhält I … P …, Fremdiswalde.
  6. I … P … hat unseren Sohn E … P … alle notwendige Unterstützung zur Ausbildung zu geben, dazu ist in erster Linie das personifizierte Vermögen einzusetzen.
  7. Sollte gegen mein Testament Einspruch oder Klage erhoben werden, so verfüge ich hiermit, das diese Person von einem jeglichen Erbe meines Nachlasses ausgeschlossen wird.

Nerchau, Ortsteil Schmorditz

den 15. August 1994

S R „

Am 22.12.1995 hatte die Mutter des Beteiligten zu 4) einen Erbschein beantragt, der als Erben ausweist die Witwe des Erblassers und die Beteiligte zu 1) zu je 1/2 sowie die drei Kinder (zwei eheliche, ein außereheliches) zu je 1/6.

Hiergegen haben sich die Beteiligten zu 2) bis 5) mit Schreiben vom 02.02.1996 (Bl. 22 dA) gewandt, indem sie unter anderem Folgendes ausgeführt haben:

„Das Testament des Erblassers S … R … erkennen wir nicht ...

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