Leitsatz (amtlich)
1. Eine Berufung kann auch noch nach Aufhebung eines zuvor anberaumten Verhandlungstermins durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden.
2. Es kann dahinstehen, ob die außergerichtliche Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 RVG-VV nur durch Besprechungen zur Erledigung solcher Verfahren ausgelöst werden kann, für die eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Jedenfalls kann sie auch im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO anfallen (entgegen BGH vom 15.3.2007 NJW 2007, 2644).
3. Auch der nach Ergehen eines Hinweises nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO unternommene Versuch des Anwalts des Rechtsmittelgegners, dem Anwalt des Rechtsmittelführers gesprächsweise die Rücknahme des Rechtsmittels anzutragen, ist eine Maßnahme notwendiger Rechtsverteidigung, weil der richterliche Hinweis keine Erfolgsgarantie bietet.
4. Ein Erledigungsgespräch i.S.v. Vorbem. 3 Abs. 3 RVG-VV ist schon dann gegeben, wenn sich der Gegner auf ein sachbezogenes Gespräch einlässt, in dem er sich an einer außergerichtlichen Erledigung interessiert zeigt oder die Prüfung des Erledigungsvorschlags zusagt.
5. Ist der Sachvortrag einer Partei nicht bereits vom Gegner zugestanden oder angesichts des wechselseitigen Verhaltens der Parteien als der wahrscheinlichere Geschehensablauf anzusehen, kann der Gesprächsverlauf auch durch anwaltliche Versicherung an Eides Statt oder Gesprächsnotizen glaubhaft gemacht werden.
Verfahrensgang
LG Dresden (Beschluss vom 12.02.2008; Aktenzeichen 10 O 0142/06) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Dresden vom 12.2.2008, der die Kosten des Berufungsverfahrens behandelt, geändert.
Die von der Beklagten der Klägerin nach dem Beschluss des OLG Dresden vom 23.11.2007 (21 U 3 83/07) zu erstattenden Kosten werden auf 9.635,30 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.11.2007 festgesetzt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Wert der Beschwerde: 4.109,78 EUR.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Festsetzung von Kosten, die auf eine anwaltliche Terminsgebühr im Berufungsverfahren entfallen. Mündlich verhandelt wurde das Rechtsmittel der Beklagten nicht. Das Berufungsgericht hat es vielmehr nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Klägerin stützt ihren Festsetzungsantrag auf ein Telefonat, das ihr Prozessbevollmächtigter mit dem gegnerischen Anwalt geführt hat.
Das LG hat die Beklagte verurteilt, die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück zu dulden. Nach Eingang von Berufung, Berufungsbegründung und Berufungserwiderung hat das OLG die Sache terminiert, den Termin dann wieder aufgehoben, weil der zuständige Senat überlastet sei. In der Folge hat das Berufungsgericht angekündigt, das Rechtsmittel der Beklagten nach § 522 Abs. 2 ZPO behandeln zu wollen. Dem ist die Beklagte mit umfangreichen Ausführungen entgegengetreten. Die Klägerin hat die berufungsgerichtliche Ankündigung verteidigt. Deren Prozessbevollmächtigter hat sodann den der Beklagten angerufen und vorgeschlagen, dass die Beklagte die Berufung zurücknimmt und die Anwaltskosten ersetzt, die der Klägerin vorprozessual erwachsen sind und von ihr im Wege der Klageerweiterung in das Berufungsverfahren eingeführt waren. Wie der Beklagtenvertreter hierauf reagiert hat, ist streitig. Jedenfalls hat der klägerische Prozessbevollmächtigte zwei Tage nach dem Telefonat dem Berufungsgericht Folgendes mitgeteilt:
"... teile ich dem Senat der guten Ordnung halber mit, dass sich die Prozessbevollmächtigten am 26.10.2007 in einem längeren Telefonat darüber ausgetauscht haben, ob bzw. auf welche Weise eine vorzeitige Beendigung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung möglich erscheint. Die Anfrage des Unterzeichners, ob nicht die Berufung zurückgenommen und der Kostenerstattungsanspruch anerkannt werden könne, wurde dabei vom Beklagtenvertreter RA L. 'zurückhaltend positiv' aufgenommen: obwohl der Vorschlag zur Rücknahme als 'richtig' bezeichnet wurde, kam eine Einigung hierüber noch nicht zustande. Nach den Andeutungen des Bevollmächtigten der Beklagten stehe eine Gesamtbereinigung im Raume, wozu der Schuldner eine Zahlung anbieten werde. Dabei waren sich die Gesprächspartner durchaus darüber einig, dass wegen der diversen Vollstreckungsmaßnahmen, insb. der Zwangssicherungshypothek Riesa, noch einige Hindernisse zu überwinden seien ..." (GA II 247)
Zwischen den Parteien gibt bzw. gab es weitere Rechtsstreite. Hintergrund ist die Scheidung der Klägerin von D., dem, so das landgerichtliche Urteil, alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und einzigem Kommanditisten der Beklagten. Auch zwischen D. und der Klägerin gab bzw. gibt es gerichtliche Streitverfahren.
Die Beklagte hat sich zu den eben zitierten klägerischen Ausführungen im Berufungsverfahren nicht geäußert. Eine Abschrift dieses Schriftsatzes wurde ihrem Prozessbevollmächtigten am 30.10.2007 übersandt. Mit Schriftsatz vom 9.11.2007 hat sie ...