Leitsatz (amtlich)

1. Die nach Abschluss des Rechtsstreits im Zuge erneuter Bedürftigkeitsprüfung getroffene Entscheidung, die Prozesskostenhilfe gem. §§ 120 Abs. 4 Satz 2, 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO aufzuheben, ist der Partei selbst und nicht dem vormaligen Prozessbevollmächtigten zuzustellen (Festhaltung Senat, Beschl. v. 25.1.2008 - 3 W 1382/07, juris; entgegen BAG NZA 2006, 1128, Volltext in juris).

2. Hat der Einzelrichter die verspätet eingelegte sofortige Beschwerde der Partei gegen den ihr persönlich zugestellten Aufhebungsbeschluss ohne Rechtsbeschwerdezulassung verworfen, kann das voll besetzte Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde auf rechtzeitige Gegenvorstellung der Partei hin - nach Übertragung durch den Einzelrichter - nachträglich zulassen.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4 S. 2, § 124 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 10 O 1292/07)

 

Tenor

Die Gegenvorstellung des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters des erkennenden Senates vom 24.9.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Rechtsbeschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss zugelassen wird.

 

Gründe

I. Nachdem der Beklagte wiederholten Aufforderungen i.S.v. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO keine Folge geleistet hatte, hob die Rechtspflegerin des LG Dresden am 22.7.2009 die ihm von diesem Gericht am 9.1.2008 bewilligte Prozesskostenhilfe auf. Gegen den ihm am 24.7.2009 durch Einlegung in den Briefkasten nach gescheitertem Übergabeversuch persönlich zugestellten Aufhebungsbeschluss legte der Beklagte, nunmehr wieder vertreten von seinem im durch Prozessvergleich vom 18.4.2008 beendeten Rechtsstreit tätig gewesenen Prozessbevollmächtigten, am 26.8.2009 (Mittwoch) sofortige Beschwerde ein. Nach Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerin verwarf der Einzelrichter des erkennenden Senats mit Beschluss vom 24.9.2009, auf den verwiesen wird, die sofortige Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig und wies in den Gründen darauf hin, dass das Rechtsmittel auch unbegründet wäre, da der Beklagte die geforderte Erklärung selbst im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt habe.

Am 28.9.2009 hat der Beklagte Gegenvorstellung erhoben und auf die Rechtsprechung des OLG Brandenburg zur Notwendigkeit verwiesen, auch nach Prozessende die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung und den etwaigen Prozesskostenhilfeaufhebungsbeschluss an den Anwalt (und nicht an die Partei) zuzustellen. Daher sei das Rechtsmittel nicht verfristet und fehle es bislang an einer ordnungsgemäßen Aufforderung zur Abgabe der Erklärung über den Prozess- bzw. nunmehr Verfahrensbevollmächtigten. Vorsorglich hat er die Einräumung einer Frist zur Nachreichung der Erklärung beantragt. Nachdem der Einzelrichter mit Verfügung vom 29.9.2009 unter Mitteilung einschlägiger Rechtsprechung Gelegenheit zur weiteren Äußerung gegeben hatte, hat der Beklagte innerhalb antragsgemäß verlängerter Frist an der Gegenvorstellung festgehalten. Die Notwendigkeit einer Zustellung an den Anwalt habe vorliegend zusätzlich deshalb bestanden, weil dieser in beiden angefochtenen Entscheidungen als Prozessbevollmächtigter aufgeführt sei. Darüber hinaus sei für den Beklagten in beiden Beschlüssen eine fehlerhafte Bezeichnung gewählt worden, die prozesskostenhilferechtlich beachtlich sei. In der Sache ließen seine Einkommensverhältnisse auch weiterhin eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu. Eine aktuelle Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse werde er bis zum 30.11.2009 nachreichen, da das Steuerbüro zur Erstellung der aktuellen BWA noch einige Zeit benötige. Hilfsweise sei die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Mit Beschluss vom 16.11.2009 hat der Einzelrichter das Verfahren über die Gegenvorstellung einschließlich etwaiger Änderungen des Beschlusses vom 24.9.2009 dem voll besetzten Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die Gegenvorstellung hat im Wesentlichen keinen Erfolg. Lediglich soweit mit ihr die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde erstrebt wird, ist sie zulässig und begründet.

1. Ob und in welchem Umfang die gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung als außerordentlicher Rechtsbehelf zur Selbstkorrektur einer gerichtlichen Entscheidung zuzulassen ist, harrt in mancherlei Hinsicht noch der Klärung.

Zumindest weitgehende Klarheit herrscht zwischenzeitlich in verfassungsrechtlicher Hinsicht. So hält eine Gegenvorstellung gegen die letztinstanzliche Entscheidung eines Fachgerichtes - soweit es nicht um einen spezifischen, hier freilich nicht ersichtlichen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör geht, für den mit der Gehörsrüge in § 321a ZPO und anderen Verfahrens- und Prozessordnungen ein gesonderter Rechtsbehelf zur Verfügung gestellt ist - anders als früher generell nicht mehr die Frist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde offen (BVerfG, Beschluss des 1. Senates v. 25.11.2008 - 1 BvR 848/07, NJW 2009, 829). Umgekehrt gibt das Grundgesetz für Verfahren vor den Fachgerichten aber trotz der mittlerweile vom Gesetzgeber geschaffenen Regelungen zu Anhörungsrügen nicht vor...

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