Leitsatz (amtlich)
Zur Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft im Eröffnungsverfahren bei drohender Verjährung angeklagter Straftaten:
1.
Das Unterlassen einer von Amts wegen oder auf Antrag zu treffenden Entscheidung kann überhaupt nur ganz ausnahmsweise dann anfechtbar sein, wenn a) die (unterlassene) Entscheidung selbst anfechtbar wäre und b) dem Unterlassen die Bedeutung einer Sachentscheidung im Sinne einer endgültigen Ablehnung (und nicht nur einer bloßen Verzögerung der zu treffenden Entscheidung) zukommt.
2.
Bei angeklagten Serienstraftaten, die im Laufe mehrerer Jahre begangen wurden, so dass einzelne Taten recht bald, andere Taten aber erst in einigen Jahren zu verjähren drohen, ist zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft auf die gesetzliche Wertung in §§ 154, 154a StPO abzustellen. In diesen Fällen kann eine solche Beschwerde nur dann überhaupt zulässig sein, wenn a) eine wesentliche Anzahl der Taten zeitnah zu verjähren drohen und b) das Unterlassen der Gerichtsentscheidung auf grober Pflichtwidrigkeit beruht.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 5 KLs 116 Js 51416/99) |
Tenor
1.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dresden gegen die Weigerung der 5. Strafkammer des Landgerichts Dresden, gegenwärtig über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden, wird als unzulässig verworfen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die hierdurch verursachten notwendigen Auslagen der Angeschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Dresden hat - erstmals am 26. April 2002 und nach Rücknahme der ersten Anklage erneut - am 28. Mai 2002 gegen die drei Angeschuldigten wegen 191 Fällen des Subventionsbetruges (§§ 264 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2, 53 StGB) Anklage bei der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Dresden erhoben.
Nachdem der (neue) Vorsitzende der zuständigen 5. Strafkammer mit Verfügung vom 07. April 2004 der Staatsanwaltschaft mitgeteilt hatte, dass der Strafkammer aufgrund ihrer Auslastung eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens derzeit nicht möglich sei, nahm dies die Staatsanwaltschaft zum Anlass, erstmals am 11. Mai 2004, "gegen die bislang unterbliebene Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens" sofortige Beschwerde einzulegen.
Mit Beschluss vom 17. Juni 2004 (2 Ws 292/04) hat daraufhin der Senat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Der Zurückstellung der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens durch die Strafkammer lägen sachliche Erwägungen zu Grunde; die Zurückstellung der Entscheidung sei auch nicht willkürlich, zumal sich die Kammer der Verjährungsproblematik - sukzessive Verjährung drohte (erst) ab 15. April 2005 - bewusst sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Senatsbeschluss verwiesen.
In der Folgezeit hat das Landgericht dann aber keine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens getroffen.
Die Staatsanwaltschaft Dresden hat deshalb am 16. März 2005 "erneut Beschwerde" gegen die Nichtentscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens eingelegt. Das Rechtsmittel enthielt den Hinweis, "der Verjährungseintritt stehe unmittelbar bevor". Im Übrigen wurde auf die Begründung der ersten Beschwerde verwiesen.
Mit Vermerk vom 18. März 2005 hat der Vorsitzende der Strafkammer darauf hingewiesen, dass die Kammer aufgrund ihrer "fortdauernden Überlastung mit vorrangigen Aufgaben" nicht in der Lage gewesen sei, über die Eröffnung des Hauptverfahrens, "die eine vertiefte Prüfung der umfangreichen Akten erfordere", zu entscheiden. Im Hinblick darauf, dass die ersten 15 der 191 angeklagten Fälle im Zeitraum vom 13. bis zum 27. April 2005 verjähren würden, sei am 11. März 2005 "mit der Prüfung" (offensichtlich der Entscheidung über die Eröffnung oder Nichteröffnung) begonnen worden. "Bei vorläufiger Prüfung" sei eine "weitgehende Eröffnung" wahrscheinlich, jedoch erscheine es nicht ausgeschlossen, dass auch "teilweise die Nichteröffnung des Verfahrens beschlossen werden könnte", was insbesondere bei der Angeschuldigten ..... der Fall sein könne. Schließlich "könne nicht verbindlich zugesagt werden, dass die Kammer so zeitig vor Verjährung der ersten Tat eine Entscheidung treffen kann, dass das Oberlandesgericht über eine eventuelle Beschwerde vor Verjährung der ersten Tat entscheiden könnte".
Die Staatsanwaltschaft Dresden hat diesen Vermerk des Vorsitzenden als "Nichtabhilfeentscheidung der Kammer" gewertet und die Akten am 29. März 2005 der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt. Diese hat unter dem 29. März 2005 beantragt, auf die "sofortige Beschwerde" der Staatsanwaltschaft gegen die unterbliebene Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Landgericht Dresden, 5. Große Strafkammer, die Anklage der Staatsanwaltschaft Dresden vom 28. Mai 2002 zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren zu eröffnen.
Nach Vorlage der Akten gab der Senat diese mit Verfügung vom 04. April 2005 an das Landgericht Dresden zurück. Dem Landgericht wurde in Hinbl...