Leitsatz (amtlich)
1. Eine juristische Person, die ihren Verwaltungssitz im Inland hat, kann sich auch dann auf eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts berufen, wenn ihr Tätigkeitsschwerpunkt im Ausland liegt (hier: Seenotrettung im Mittelmehr).
2. Das "Recht zum Gegenschlag" berechtigt nicht zu unwahren Tatsachenbehauptungen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 3 O 1000/23) |
Nachgehend
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Es sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 14.05.2024, 9.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 20.000 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Der Kläger - ein eingetragener Verein - verlangt vom Beklagten die Unterlassung von Äußerungen wie im Tenor unter Ziffer 1. des angefochtenen Urteils des Landgerichts Dresden abgebildet. Vorausgegangen war dem Klageverfahren ein auf das gleiche Ziel gerichtetes einstweiliges Verfügungsverfahren, das mit der antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten endete (Urteil des Landgerichts Dresden vom 18.11.2022 - 3 O 1398/22 EV und Senatsurteil vom 14.02.2023 - 4 U 2331/22). Im Anschluss hieran hat der Kläger den Beklagten mit Anwaltsschriftsatz vom 20.03.2023 vergeblich zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufgefordert. Der Kläger hält die beanstandeten Äußerungen für unwahre Tatsachenbehauptungen. Sie seien geeignet, den Kredit des Klägers im Sinne des § 824 BGB zu gefährden und verletzten ihn in seinen Persönlichkeitsrechten als Verein. Der Beklagte hält die Klage bereits wegen eines Klägerwechsels für unzulässig. Da der Kläger sich als politischer Akteur betätige, habe er kein schutzwürdiges Interesse an der Unterlassung. Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 03.11.2023 - auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird - vollumfänglich stattgegeben.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er wie erstinstanzlich die vollständige Klageabweisung begehrt. Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens rügt er die Verletzung materiellen Rechts durch das Erstgericht.
Er beantragt,
1. Das Urteil des Landgerichts Dresden, Az. 3 O 1000/23 vom 03.11.2023, zugestellt am 06.11.2023, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Kläger beantragt,
die Berufung unter Aufrechterhaltung des Urteils des Landgerichts Dresden vom 03.11.2023 - 3 O 1000/23 - zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe greifen nicht durch.
Im Einzelnen:
1. Der Kläger ist aktivlegitimiert.
a) Allein die Änderung des Satzungszweckes (§ 33 BGB) und die Verlegung des Sitzes bewirken nicht, dass es nicht mehr um den ursprünglichen Kläger handelt. Ein Vergleich der vormaligen mit der jetzigen Satzung zeigt, dass nach wie vor die Seenotrettung wesentlicher Bestandteil des Vereinszwecks des Klägers war auch vor der Satzungsänderung, die nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers zum 04.11.2022 in Kraft getreten ist (Berufungserwiderung Seite 10 und Anlage B 31) Satzungszweck die "Förderung der Rettung von Menschen aus Lebensgefahr" "insbesondere durch die Rettung von Menschenleben aus Seenot und gefährlichen Situationen, insbesondere - aber nicht ausschließlich - von Flüchtlingen, die ihre Flucht über das Meer fortsetzen und dort in Not und Gefahr geraten ...." (§ 2 Abs. 3 der Vereinssatzung). Soweit nun noch die Hilfe für Afghanistan-Flüchtlinge hinzugetreten sein mag, so stellt dies keine Änderung, sondern eine bloße Erweiterung des Vereinszweckes dar. Auch die bloße Umbenennung des Klägers von "Mission Lifeline e. V." in "Mission Lifeline International e. V." bewirkt keinen Wechsel der Rechtsperson, denn eine Auflösung des Klägers nach § 41 BGB hat unstreitig nicht stattgefunden.
b) Die Aktivlegitimation scheitert auch nicht daran, dass der Kläger aufgrund seiner satzungsgemäß außerhalb Deutschland ausgeübten Aktivitäten nicht mehr als inländische juristische Person nach Art. 19 Abs. 3 GG anzusehen wäre. Der Sitz einer juristischen Person bestimmt sich nach dem tatsächlichen Mittelpunkt ihrer Tätig...