Leitsatz (amtlich)
Stellt das Gericht das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 1 und 2 StPO ein, bedarf es einer Anhörung des Angeklagten, wenn davon abgesehen wird, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 10 Ns 250 Js 9492/10) |
Tenor
1. Eine Entscheidung durch das Oberlandesgericht ist nicht veranlasst.
2. Die Sache wird an das Landgericht Görlitz - Außenkammern Bautzen - zurückgegeben.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hatte den Angeklagten am 29. Januar 2014 wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Gegen das Urteil legte der Angeklagte Berufung ein. Am 14. April 2014 wurde der Angeklagte durch das Landgericht Dresden wegen anderer Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verurteilt. Aufgrund dieser Verurteilung hat die Berufungskammer das Verfahren mit Beschluss vom 15. Mai 2014 außerhalb einer Hauptverhandlung auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellt und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt. Gleichzeitig hat sie davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
Gegen den Beschluss legt der Angeklagte mit Schreiben vom 10. September 2014 Rechtsmittel ein; er nehme den Beschluss so nicht hin.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Beschwerde des Angeklagten als unzulässig zu verwerfen.
II.
Eine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten durch das Oberlandesgericht ist nicht veranlasst. Es stellt sich als Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs gemäß § 33a StPO dar, über den das Berufungsgericht zu entscheiden hat.
1.
Das Rechtsmittel des Angeklagten wäre als Beschwerde gegen die Einstellungsentscheidung unzulässig; der Angeklagte ist durch die Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO nicht beschwert (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 57. Aufl. § 154 Rdnr. 20 m.w.N.).
2.
Das Rechtsmittel wäre auch als Beschwerde gegen die getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung unzulässig, weil eine Anfechtung der Hauptentscheidung nicht statthaft ist (§ 464 Abs. 3 Satz 1 2. HS StPO). Diese gesetzgeberische Entscheidung ist ebenso wenig von Verfassungs wegen zu beanstanden wie die Entscheidung des Landgerichts, die notwendigen Auslagen des Angeklagten nach Einstellung des Verfahrens nicht der Staatskasse zu überbürden. Dies gilt auch im Hinblick auf den Umstand, dass das Landgericht seine Entscheidung nicht begründet hat. Dem Grundgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidung ausnahmslos einer Begründung bedarf (BVerfG NJW 2002, 1867).
3.
Das Landgericht hat allerdings den Anspruch des Angeklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG verletzt, indem es den Angeklagten vor einer Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einstellung des Verfahrens nicht angehört hat.
Für eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 Nr.1, Abs. 2 StPO bedarf es zwar keiner Zustimmung des Angeklagten (LR-Beulke, StPO 26. Aufl. § 154 Rdnr. 39); bei einer Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung ist im Falle einer Einstellung auch keine Anhörung des Angeklagten notwendig (LR-Beulke, § 154 Rdnr. 40; KK-Diemer, StPO 7. Aufl. § 154 Rdnr. 23; SK-Weßlau, StPO 4. Aufl. § 154 Rdnr. 32).
Hiervon sind jedoch die Fälle auszunehmen, bei denen keine für den Angeklagten günstige Kostenentscheidung getroffen wird (vgl. BGH bei Kusch, NStZ 1995, 18; OLG Oldenburg StraFo 2010, 352; Meyer-Goßner/Schmitt, § 154 Rdnr. 16) und es deshalb gemäß § 33 Abs. 3 StPO einer Anhörung des Angeklagten bedarf.
Fundstellen
Haufe-Index 7401948 |
JurBüro 2015, 145 |
NStZ-RR 2014, 6 |
NStZ-RR 2015, 30 |
KomVerw/S 2015, 170 |